Auf dem Planeten der Blumen lebte einmal ein Mann.
Ganz allein stand sein Häuschen oben auf der Drehachse.
Er war der einzige Mann dort, sonst gab es weit und breit nur Blumen.
Jeden Morgen ging er hinaus, ergriff die Kanne neben der Haustür und sammelte von ein paar Blumen den Nektar.
War dies getan, schob er die Wolke, die nachts vor die Sonne gehängt war, beiseite und das Licht flutete über den Planeten, der in allen Blütenfarben aufglitzerte.
Dann setzte er sich vor seinem Häuschen in den Sonnenschein und frühstückte.
Eines Tages, als er schlecht geschlafen hatte, stand er grollend und griesgrämig auf. Er fühlte sich randvoll mit dicker, pelziger Düsternis, und als er daran dachte, daß er die Wolke beiseite schieben mußte, damit die Blumen ihr Licht bekamen, machte ihn das noch finsterer. Er brummte, daß auch die anderen kein Licht sehen sollten, wenn er keines sah. Der Gedanke, die Blumen könnten sich am Sonnenlicht freuen, während er schlechter Laune war, erzürnte ihn geradezu. Aber frühstücken wollte er trotzdem, und so füllte er seine Kanne mit Nektar und ging zurück zum Häuschen.
Als die Blumen bemerkten, daß er es versäumt hatte, die Sonne für sie freizumachen, wie er es sonst immer tat, wenn er sich ihren Nektar zum Frühstück holte, riefen sie freundlich mit ihren sirrenden Stimmen nach ihm, erinnerten ihn an die Wolke.
Der Mann drehte sich um und schnauzte grob, ihm wäre nicht nach Licht zumute.
Die Blumen baten ihn, doch wenigstens die Wolke so zu hängen, daß sie Licht bekämen, aber der Mann, dem es gefiel, gebeten zu werden, stellte sich taub.
Hinter ihm beratschlagten die Blumen zirpend, was zu tun sei.
Ab und zu wurden Stimmen lauter, die empört feststellten, so etwas sei noch nie vorgekommen, und wenn sie nicht alle bald Licht bekämen, wäre es aus mit dem Planeten der Blumen.
Der Mann hörte diese Stimmen und drehte sich wieder um.
Als die Blumen auf seine Frage, ob sie das Licht denn bräuchten, antworteten, es sei eine Quelle ihres Lebens, kam ihm ein Gedanke, wie er ihnen trotzdem die Freude daran verderben konnte: Er verlangte dafür, daß die Blumen ihr Licht bekamen, von jeder ein Blütenblatt.
Weil sie den Lichtmangel schon in sich spürten, stimmten die Blumen schnell zu.
So ging der Mann mit einem großen Sack los und suchte sich aus jeder Blüte ein Blättchen heraus, das Schönste, das er in den Sack steckte.
Jede Blume war traurig darüber, doch lieber litt sie ein bißchen, als die Sonne nicht mehr zu sehen, zu sterben.
Der Mann schleppte seine Bezahlung in sein Häuschen und schob dann die Wolke fort.
Das Licht flutete über den Planeten, der von Blumen glitzerte.
Und doch war es kein schönes, sondern ein trauriges Bild, wie alle Blumen da standen, mit einer Lücke im Kelch.
Der Mann freute sich, als er sah, daß es ihm gelungen war, auch seine ganze Umwelt traurig zu machen.
Zufrieden nahm er seinen prallen, mit Blütenblättern gefüllten Sack auf und schaffte ihn auf den Dachboden.
Am nächsten Morgen war er nicht besser gelaunt, und so verlangte er, nachdem er sein Frühstück gesammelt hatte, erneut von den Blumen eine Bezahlung.
Wieder trug er einen Sack auf den Boden und beobachtete von seiner Haustür aus befriedigt die leidenden Blumen. Seine eigene Stimmung hob sich angesichts dessen. Trotzdem war sie mit dem neuen Tag auch von neuem finster.
Der Mann trug also einen weiteren Sack auf den Boden.
Die Blumen waren verzweifelt und beratschlagten, was zu tun sei, damit sie nicht in abzählbarer Zeit keine Blüten mehr hätten.
Sie waren entrüstet darüber, daß der Mann einfach sein Frühstück von ihnen nahm, ohne dann die Gegenleistung, nämlich für sie die Sonne freizuschieben, zu erfüllen, daß er mehr verlangte, als sie bekamen.
Schließlich, nach langem Hin-und Herberaten, entschlossen sie sich dazu, jede Nacht neue und mehr Knospen zu treiben, solange es ihre Kraft erlaubte.
So geschah es.
Als der düstere Mann morgens die Blütenpracht sah, rieb er sich die Hände: Nun würde er pro Blume zwei Blütenblätter verlangen, damit sie das Licht bekamen.
Und so schleppte er vier Säcke, am nächsten Morgen neun und am darauffolgenden zwölf in sein Häuschen.
Er keuchte und arbeitete schwer, aber er freute sich an dem Gedanken, daß den Blumen auch nicht wohl war.
Mittlerweile konnte der Mann all die Säcke nicht mehr auf dem Boden seines Häuschens unterbringen.
Er grübelte, was er tun könnte und legte sich dazu auf sein Bett.
Auf einmal fiel es ihm ein: Natürlich, er brauchte schon lange ein neues Deckbett, und die Matratze konnte er auch gleich füllen.
Am folgenden Tag polsterte er auch seine Sessel und das Sofa neu, trotzdem blieben einige Säcke übrig und standen im Zimmer herum.
Er trug sie in den Keller; der war zwar feucht, aber es machte nichts, wenn die Blütenblätter dort verschimmelten, er hatte ja ohnehin keine Verwendung dafür.
Die Säcke stapelten und türmten sich bis unter die Decke, quollen zur Tür hinaus und ergriffen Besitz von seinem Zimmer.
Auf dem Sofa und in den Sesseln lagen sie; er schlief sogar nun auf drei Matratzen und mit fünf Bettdecken, er konnte sich schon nicht mehr richtig ausstrecken, denn die vielen Kopfkissen in seinem Rücken zwangen ihn zum Sitzen. Er schlief fast gar nicht mehr, und seine Stimmung wurde immer finsterer. Die Säcke wuchsen an den Zimmerwänden empor, verstopften die Fenster, und wollte er morgens aus dem Haus, sein Frühstück zu sammeln, und seine Bezahlung einzutreiben, mußte er über Säcke klettern.
Mühsam brachte er die neuen ins Haus und breitete eine Schicht über den Fußboden.
Draußen schien strahlend die Sonne und die Blumen leuchteten in schönerer Pracht als je zuvor, die vielen Knospen und Blüten verdeckten gegenseitig die Lücken darin.
Der Mann wurde immer zorniger. Wie besessen schleppte und schichtete er Säcke um Säcke.
Er riß sein Haus ab und errichtete an seiner Stelle aus Säcken ein neues und wieder ein neues.
Es half ihm nichts, sie wurden täglich immer mehr, und den Blumen machte es schon längst nichts mehr aus: sie wuchsen immer schöner und immer höher.
Bald mußte der Mann eine Leiter benutzen, um den Nektar für sein Frühstück zu erreichen; er mußte Leitern aneinander nageln … Von Anstrengung und Hunger abgemagert, mit einem eigenartigen, neuen Glimmen in den Augen, kroch er eines Morgens aus der Schlafhöhle seines pyramidenartigen Blütenblättersackpalastes. Im Arm trug er eine Axt.
Böse lachend stürzte er sich auf die Blumen und mähte sie unter einer gewaltigen Anstrengung ab, alle.
Erstaunt sirrend sanken die Blumen zu Boden, wo der Mann wild auf ihnen herumtrampelte, bis sie nicht mehr als Blumen erkennbar waren.
Dann hielt er plötzlich inne – wanderte suchend und unter den welhen Haufen stöbernd über den ganzen Planeten.
Er hängte die Wolke von der Sonne, um besser sehen zu können.
Es waren keine Blumen mehr da. Ihm knurrte sein Magen. Hungrig kroch er in seine Schlafhöhle … – langsam begannen die Säcke zu rutschen …
~ 1977 von mir geschrieben – lang her aber ich mag es immernoch.
Alles, was schön und wahr ist, bleibt immer jung.
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Danke, es freut mich auch, dass du es gelesen hast 🙂
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Eine Geschichte, die viel Weisheit vermittelt.
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