„Landwirtschaft und ländliches Hausgerät“ – Dömitz IV

Beim dem Versuch, die zahlreichen Fotos vom Besuch im Museum auf der Dömitzer Festung so zu ordnen, dass sich sinnvolle Blog-Häppchen daraus zusammenbasteln lassen, merke ich, wie sperrig, trocken und staubig manche Themen sind, so ganz ohne einen Plan, wie sie in einen Bezug eingebettet werden könnten.
‚Landwirtschaftliche und hauswirtschaftliche Geräte um 1900‘ sind ursprünglich nichts, worüber es mich per se zu bloggen verlangte, auch wenn es mich interessiert. Ich will keinen historischen Roman zu schreiben beginnen, bloß weil ich auf der Suche bin nach einem verbindenden roten Faden.

In einem Nebengebäude im Hof stehen zwei landwirtschaftliche Relikte aus der bäuerlichen Scheune: eine alte Sackwaage und ein hölzerner, rotlackierter Dreschkasten.
Da ich einen Teil  meiner Kindheit auf den Dörfern durch Scheunen und Ställe gestreift bin, kannte ich beide, denn bevor ein Landwirt (nicht nur  im Wendland, sondern auch anderswo) etwas noch irgendwie Verwendbares wegwirft, muß zuerst kein Platz mehr auf dem Hof sein, vor allem, wenn es womöglich noch funktioniert. Der Radau eines solchen, bei der Arbeit unglaublich wackelnden Rumpelkastens ist mir deutlich in Erinnerung; der warnende Hinweis darauf, die vorgeschriebene Anzahl der Stöße einzuhalten, ist bestimmt wohlbegründet: wahrscheinlich zerstört er sich sonst selbst.
Im Hauptgebäude der Festung kann man eine Sammlung von  Hausrat und Gerätschaften ansehen, die man brauchte, um einen Hofbetrieb bzw. Haushalt zu versorgen: mit selbstgefertigten Textilien; zur Verrichtung der Wäschepflege – oder Vernichtung derselben, wenn man die hölzernen Reiben, Wringmaschinen und Mangeln dafür verwendet hatte;  für die Lebensmittelbearbeitung und, wie man auf dem Tisch vorn im Bild sehen kann, für das Vorbereiten warmer Betten mit diesen unzerstörbaren blechernen Wärmflaschen. Die tauchen auch heutzutage immernoch auf Flohmärkten auf, die Nachfolger der aus alten Romanen bekannten „heissen Ziegelsteine“ im Bett. Nicht wenige meiner in Bauernhäusern aufgewachsenen Schulfreunde hatten in der kalten Jahreszeit solche heisswasser-gefüllten Blecheier abends vor dem Schlafengehen in ihren Betten, anstelle einer Zentral- oder auch nur irgendeiner Heizung in ihren Zimmern. Für einen Vergleich mit modernen Kinderzimmern zum darin Spielen oder Hausaufgaben machen, ohne sich warm anzuziehen, brauchte man nicht etwa eine Zeitmaschine: eine Fahrt mit dem Schulbus hatte genügt.
Gerade in den Bereichen von Haushalt und Wohnen blieben anscheinend alte und moderne Zeiten lange ineinander verschränkt. Auch die Fleischwölfe und Nussmühlen für den Handbetrieb sind Hausgeräte, die zumindest meine Großmutter eisern weiterverwendete, als es elektrisch betriebene Geräte stattdessen schon längst gab. Aber Rheuma und Gicht waren anscheinend gegen Gewohnheit und Willenskraft machtlos, und wenn so ein Eierkörbchen zum Kochen in einen Topf versenkt wurde, hat meine Großmutter nicht etwa einen Küchenwecker eingestellt, sondern verschieden lange Kirchenlieder gesungen. Weich, mittel hart. Kurz nach 1900 geboren, hatte sie es in einer Gutshofküche so gelernt.
Im Hintergrund sieht man außerdem noch Bienenkorb, Getreideschaufel, Kornreiniger, Schrotmühle und Schmiedegeräte: Amboß, Ofen, Blasebalg und diverses Werkzeug, auf dem letzten Foto auch noch einmal den Blasebalg von der Seite – die Schmiede hatte natürlich niemand in der Küche, aber für den riesigen ledernden Blasebalg als Museumsstück ist es wahrscheinlich so besser. – Die vielen anderen Fotos, die ich in dieser Abteilung gemacht habe, sind ungeblitzt verwackelt und geblitzt häßlich, so daß ich jetzt, ohne auch noch Webstühle, Gerätschaften zur Flachsverarbeitung, hölzerne Backmulden, die oben erwähnten Mittel zum Wäschewaschen und -Bügeln sowie die offene Kochstelle und den Koch-Geschirrschrank zu zeigen, hiermit fertig bin.

Fotos vom 3. September 2011 im Museum in Dömitz, Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland – zum Vergrössern bitte die kleinen Bilder in der Galerie anklicken.

20 Gedanken zu “„Landwirtschaft und ländliches Hausgerät“ – Dömitz IV

  1. Aufnahmen von alten landwirtschaftlichen Geräten schaue ich mir total gerne an. So manches erinnert an die Ferien bei meinen Großeltern. Den Dreschkasten kann man fast „hören“.

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  2. Am meisten hat mich solches Ambiente beruehrt, weil die Gegensteande ihren Geruch mitnehmen und nie verlieren. Also man ist sofort versetzt in diese Zeit wie unmittelbar, mag auch ein bisschen Schauder ueber einen herziehen.

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  3. Danke dir für diesen Bericht! Meine Mama (Jahrgang 1936) kann auch noch von heißen Steinen im Bett berichten. Und mein Papa von seinem Kampf mit dem Ochsen und dem Pflug und von einer von meinem Opa selbst gebauten hölzernen „Waschmaschine“ mit Handkurbel. Die Sache mit den Kirchenliedern finde ich wunderbar. Das habe ich auch noch nie gehört.

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  4. Durch den Fleischwolf der Großmutter drehen und knebeln wir heute noch den Teig für Spritzgebäck. Vorne ist ein Schienchen drauf mit einem ausgestanzten Stern, aus dem längere Stachelraupen herauskommen, die später mit einem Ende in die dunkle Schokolade getaucht werden, wenn ich mich durchsetze, auch mit beiden Enden. Die beiden anderen Stanzstreifen sorgen für flache längliche Plätzchen, die immer noch nach dem Teigrezept der Großmutter gebacken werden. Sie schmecken, in Kaffee getunkt, irrsinnig gut.

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    • Solch durchgepreßtes Gebäck kenne ich auch, wir hatten eine metallene Spritze, mit Tülle und verschieden ausgestanzten Einsätzen – glatt-halbkreisförmig, Stern/2, Kleeblatt-ohne-Stiel – in die der Teig eingefüllt, und langsam mit einem dicken Holzstempel auf das Blech herausgedrückt wurde, bevorzugt S-förmig, mehrfach geriffelt und mit gemahlenen Haselnüssen darin. Wo das gute Stück geblieben ist, weiß ich nicht, aber jetzt hab ich den Gebäckduft in der Nase – mmmh…

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  5. Viel Authentisches aus der Vergangenheit. ist ja noch gar nicht so lange her.
    Die heißen Ziegelsteine kenne ich von meinen Großeltern, die Bettflaschen aus Blech noch aus meiner Kindheit und einen alten Fleischwolf gibt es irgendwo auch noch. Den sah ich früher oft in Gebrauch. Dazu gehören jetzt noch Blechmilchkannen, mit denen ich früher regelmäßig Milch im nächsten Dorf holte (oft freihand auf dem Fahrrad).
    Danke für die Erinnerungsstücke!

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  6. Das ist Zeitreise pur, auch wenn wir selbst es nicht alles erlebt haben. Diese ganzen Seligkeiten kennen wir trotzdem. Nett die Eierzeit in Liedern zu messen. Bei Ähnlichem ertappe ich mich auch, wenn ich sonntags die Brötchen in den Ofen lege. Sie brauchen genau eine TinaDuschLänge 😉

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  7. ja, sehr schön geschrieben. auch wenn ich vllt ein ungenügender Leser bin, und mit meinen Gedanken immer wieder ganz woanders war. aber besonders der Satz hat mir auch gefallen: … brauchte man nicht etwa eine Zeitmaschine: eine Fahrt mit dem Schulbus hatte genügt. ..

    ja, die alten Zeiten ^^

    hab übrigens den Gravatar symbolisch ergänzt.

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  8. Ja, es ist eine Zeitreise… …ich bin ja in einer Kleinstadt geboren und ich glaube, es gab damals auch schon einen Supermarkt, vielleicht kam der aber auch erst später, denn wenn man so „klein“ ist, dann ist der Radius, in dem man sich alleine um das Haus bewegt, nicht allzu groß. Abends ging ich manchmal mit meinem Cousin Bier holen für meinen Vater. Ein älteres Ehepaar hatte einen Getränkehandel hinten im Schuppen. Es gab immer einen Kirschlolly mit grünem Stiel, wenn wir dort für ein paar Groschen eine Flasche Bier in unseren Beutel bekamen. Anderthalb Straßen weiter gab es ein Lebensmittelgeschäft. Dort gab es Milch in Tüten, was wir ja sehr befremdlich fanden. Wir gingen lieber den weiteren Weg zu einem hm Dorfladen mit großer alter Waage und die dazugehörigen Gewichten. Ich bekam eine grüne Milchkanne in die Hand gedrückt und dann ging es los.Wenn der Mann im Laden war, vor dem hatte ich immer ein bisschen Angst. Der war ziemlich groß und ein wenig gebückt. Die Frau mochte ich aber sehr und bei ihnen gab es Esspapier, das klebte so schön am Gaumen. Und Waffeln mit Sahne… hmmmmmmm 🙂 – Mein Opa hatte einen Schuppen hinterm Haus, der war vollgestopft mit alten Sachen. Heute würde man sagen, er war ein Messi. Allerdings war bei ihm alles geordnet und in und auf Schränken gestapelt. Der Raum war optimal genutzt und zwischen den gestapelten Dingen waren Gänge. Er meinte, man könnte alles vielleicht noch mal gebrauchen. Alte Fahrräder, das erste Motorrad meines Vaters, die Motorhaube eines Autos, Zeitschriften, verrostete Schrauben, Holznägel, beschriebenes Papier, Plastiktüten, kaputtes Kinderspielzeug, alte Möbel, Zeitschriften, blecherne Keksdosen und und und. Wir durften da eigentlich gar nicht rein, weil er immer Angst hatte, dass die Stapel zusammen fallen könnten. Als er starb, kam alles weg. Sein ganzes gesammeltes Leben… …meine Oma hatte das Bedürfnis, aufzuräumen… – Der Geruch war unvergleichlich. Staubig, muffig und nach Abenteuer… …mein Cousin und ich dachten immer, es gäbe dort irgendwo einen Schatz… 🙂

    Huch jetzt bin ich abgeschweift… 🙂 Danke dafür… …manchmal lösen solche Bilder Erinnerungen aus, die man schon fast vergessen glaubte… 🙂

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    • Was für ein toller Kommentar – und eigentlich genau das, was passieren soll 🙂
      Die Kirschlollies gab es damals, als ich klein war (rd. 10 Jahre zuvor also) einzeln zu kaufen, für 2 Pfennig. Unverpackt – da hatte anscheinend das Gesundheitsamt noch keinen Handlungsbedarf gesehen, denn es gab ja noch keine Selbstbedienung in den Läden, in denen ich als wirklich kleines Kind war, um Schnekerkram zu kaufen. Auch Gummibärchen konnte man stückweise bekommen, und sie oder diese kleinen roten Erdbeer-Dinger bekam man in kleinen spitzen Papiertüten in die Hand gedrückt, weiß mit blauen Sternchen bedruckt.
      Und der Kaufmann himself hatte noch den Bleistift hinter dem Ohr.
      Unsere Milchkanne war weiß (bei Oma) mit blauem Henkel bzw. Rosa mit Weiss.
      „Das ist doch noch gut“ – kenne ich. Den Sammeltrieb hatten meist Flüchtlinge bzw. Menschen, die im Krieg viel verloren haben – erst später habe ich gelernt, daß dies gar nicht bei allen der Fall war, manche haben da auf dem Lande eher einiges an Tauschgütern gutgemacht, Perserteppiche und Tafelsilber gegen halbe Schweine und Kartoffeln …. Meine Herkunft ist in Hinsicht auf letzteres auch nicht landwirtschaftlich genug, aber immerhin Ost-West-gemischt, bloß die Großeltern, die nicht zu den Vertriebenen gehörten, kannte ich nur als Kurzbesucher (dann war’s auf einmal doch zu weit im Osten) und nur als ich sehr klein war, zu Besuch konnten wir nicht hin. Siehst du, jetzt hast du mich auch wieder entfesselt. Ich könnte noch weiter … ^^

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      • Die spitzen Tüten kenne ich auch… …da hat man für 10 Pfennig schon ganz schön viel drin gehabt… …mir fiel gerade wieder der Name von der Omi an der Kasse ein, das war Tante Ottens und bestimmt war sie erst 40 ^^ aber mit dem Kittel und der wasserstoffblonden Föhnwellenfrisur und aus Kindersicht war sie steinalt… 😀 …da mussten wir immer Maggi (früher habe ich es auf ganz frisches Brot geträufelt und geliebt, heute würde mir so etwas nicht mehr ins Haus kommen, geschweige denn in die Suppe) holen. Wir hatten anfangs auch noch Kopfsteinpflaster auf der Straße. Es wurde leider irgendwann in Asphalt umgewandelt.

        Wenn das Gesundheitsamt von heute damals bei unserem Milchhändler gewesen wäre, oha… …der hätte den Laden bestimmt dicht gemacht. Ich muss ab und an noch an dem Haus vorbei fahren und jedesmal muss ich an die beiden Leutchen denken. Erst starb der Mann und einige Zeit später blieb das grüne Holztor für immer geschlossen und auch wir gingen zu Tante Ottens und kauften Milch in Schläuchen… …dafür hatten wir so ein hellblaues Teil in die man den Milchschlauch reinstellen konnte.

        An was man sich so nach und nach wieder erinnern kann, wenn man sich die Zeit dazu nimmt… 🙂 …und beim Schreiben kommt immer mehr und mehr zum Vorschein…

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        • Die komischen Milchplastikschläuche, die allein nicht stehen könnten, gibt es in Dänemark immernoch. Wir waren aber richtig aufs Dorf gezogen, als ich 11 war, und ich taperte jeden Abend mit der Milchkanne direkt zum Kuhstall. Meistens blieb ich etwas länger da, machte einen Umweg über Heuboden und Schweinestall, wo heute ja oft keiner mehr reindarf, weil die armen Schweine außer zum Füttern im Finsteren sitzen und krank werden könnten, … anderes Thema… jedenfalls nach dem Spielen mit den kleinen Katzen und einem vorsichtigen Blick um die Ecke, wo sich der blöde, aufgeblasene und verdammt schnelle Truthahn herumtrieb, ging’s dann wieder mit der Rohmilch nachhause. Ehrlich gesagt, schmeckte mir die andere etwas besser, so’n bißchen weniger nach Kuhstall, aber vielleicht war es ja wirklich gesundheitsfördernd, insgesamt 😀

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