Sonntags mal was anderes: Nähkästen

Es ist schon wieder einige Wochen her, da tauchte ein Thema in mehreren Blogs zugleich auf: Nähkästen und Knöpfe – ich weiß gar nicht mehr wo überall; die es verfasst oder gelesen haben, werden sich erinnern.
So ein Nähkasten ist ein Sammelsurium aus Nützlichkeit und Zufall, absichtlich Erworbenem, unbestimmt Aufbewahrtem und unfreiwilligen Erinnerungsstücken. Folglich ist er sehr geeignet, Erinnerungen hervorzurufen und kann zugleich ein als Symbol dienen für unser Seelenleben im Umgang mit Vergangenheit.
Ich habe gleich zwei Nähkästen, was auch wieder viel Raum für Interpretationen läßt, nämlich den kleinen, zierlichen und wackeligen Kasten auf dem Foto oben und unten, selbst auf einem Flohmarkt im burgenländischen Neusiedl am See in Österreich gekauft, und einen massiveren, auf Rollen, schwer wie ein gepanzertes Fahrzeug, aus den frühen 70er Jahren und von meiner Mutter geerbt.
Mein kleiner Wackelkasten ist ein armseliges und vernachlässigtes Ding, denn ich bin keine begeisterte Handarbeiterin. Ich bin selten freiwillig textil kreativ, repariere nur, wenn nötig und der Inhalt des Kastens ist nur deshalb einigermaßen ordentlich, weil er eben nur selten benutzt wird. Mit dem beinahe hausaltarähnlichen Nähwagen meiner Mutter überhaupt nicht zu vergleichen.

Trotzdem: auch in diesem Kasten finden sich typische Stückchen Vergangenheit, die anscheinend viele weibliche Menschen mit sich herumschleppen von dem Tag an, da sie für die Schule das erste „Nähkörbchen“ bekommen haben: allem voran das selbstgefertigte > Nadelbuch aus meiner Grundschulzeit, aber unter vielen anderen auch ein paar schöne kleine Knöpfe in dem Glas rechts daneben, die sogar noch älter sind, denn die hatte ich bereits in meiner Kinder-Schatzschachtel.
Außerdem sind noch ein paar kleine runde Glöckchen von einer Kindermütze darin, die ich abschneiden mußte, weil sie nachvollziehbarerweise meinen Sohn genervt hatten – wer kommt auch auf so doofe Ideen? Warum habe ich sie aufbewahrt? Das Nähkasten-Phänomen eben.
Die Spitzenbordüre stammt von der Schwiegermutter, weil die zu schade war zum Wegwerfen, als die ihren Hausstand seniorengerecht verkleinerte, die messingfarbenen Donauklammern waren eigentlich für einen Vorhang geplant gewesen, der nie aufgehängt wurde, die silbergraue Kordel ist ein Rest vom Theaterkostüm … und so weiter. Die herzförmigen Knöpfe? Ich hätte sie vor dem Fotografieren verschwinden lassen sollen. Oder soll ich etwa gestehen, daß ich mal ein Dirndl besessen und auch getragen habe? Niemals!

24 Gedanken zu “Sonntags mal was anderes: Nähkästen

  1. Es läßt sich so schön aus dem Nähkästchen plaudern.
    Mein Nadelkissen und meine Schwesterschürze, die ich im „Nadelarbeits“-unterricht anfertigen mußte, hat meine Mutter in Gebrauch. Ich halte mich von all diesen Handarbeitsdingen fern, da es die Domäne meiner Mutter ist. Habe von daher nur eine Klarsicht-MonChérie-Schachtel mit Ersatz-knöpfen von Kleidungsstücken. Da habe ich alles im Blick 😉

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    • Die „Domäne“ …. das paßt sehr gut zu dem von mir als „Hausaltar“ bezeichneten rollenden, irrsinnig schweren Monstrum voller Nähgarn-, Knopf- und Kuriositätensammlungen aus ca. 7 Jahrzehnten. 🙂

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    • Und wie recht du hast, Uta! Alles auf dem Bild hat zufälligerweise mit einer gewissen Nachhaltigkeit zu tun: das alte Nähkästchen mit seinem teilweise biografischen Inhalt, die Vase stellt einen weit zurückenden Zeitpunkt im Leben meiner Mutter dar (RAD in Elstra / Oberlausitz), der Blumenstrauß markiert ein 20 Jahre zurückliegendes Datum, nämlich meinen Hochzeitstag, und sogar der Schrank im Hintergrund paßt dazu, denn in das Weichholz auf Krabbelkindhöhe eingraviert sind Spuren eines Spielzeugautos meines Ältesten 🙂

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  2. Oh ha, das hatten wir schon mal…das DirndlThema…;-)
    Mir geht es auch immer so. gerade jetzt, wo wir schon wieder beim Einpacken sind, fallen mir wieder „Dinge“ in die Finger, die Erinnerungen in und auf sich tragen.
    Und wieder werden sie mit umziehen…nicht aussortiert werden.

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    • ja, ich erinnere mich an das Dirndl-Thema 🙂
      Alte Sachen mal wieder in die Hand zu nehmen und zu überlegen, ob man sie noch haben möchte, oder ob sie einem imer noch dasselbe bedeuten, tut manchmal ganz gut.

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  3. Den Hausaltar hätte ich aber auch gerne mal gesehen. Danke für den schönen Nähkästchenartikel, darüber habe ich mir noch nie so richtig Gedanken gemacht. Merkwürdigerweise schafft man es ja nie, diese alten Zackenlitzen und Ähnliches wegzuwerfen, irgendwann könnte man es nochmal brauchen. Ein ganz ähnliches Nadelbuch habe ich in meiner Grundschuldzeit angefertigt.

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  4. Ein herrliches Sammelsurium, das sich über die Jahre in solchen Nähkästchen versammelt. Als männlicher Kommentator muss ich natürlich anmerken, dass doch bitteschön im Werkzeugkasten der Frau auch eine gewisse Ordnung herrschen muss, um das zu finden, was man gerade braucht 🙂
    dm
    Herzlichen Glückwunsch zum Zwanzigjährigen.
    dm + mb

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    • Stimmt, gerade wenn es sich um eine geradezu organisch gewachsene Sammlung von Näh- und anderen Utensilien zur Bearbeitungn von Textilem handelt, und es kaum Schlimmeres gibt, als beim Suchen verheddernde Garne, mit sich dabei munter ausstreuenden Stecknadelkästchen, oder nicht zusammen gebundene Stricknadeln verschiedenster Stärken, oder offene Sicherheitsnadeln ….
      Danke für die Glückwünsche. Wir pflegen diesen Tag zu vergessen und von einer Trauzeugin alljährlich überraschend daran erinnert zu werden. Einerseits, weil wir uns schon viel länger kennen, und andererseit andere Tage wichtiger waren als der amtliche. Glücklicherweise sind wir darin vollkommen einig. 😀
      Nur die Trauzeugin verzweifelt. ^^

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  5. Da ich nicht einmal Socken stopfen kann, habe ich auch keinen Nähkasten, was zur Folge hat, das ich ständig Nadel und Faden in irgendwelchen Schubladen suchen muss, wenn ich dann doch mal einen Knopf annähen will (bzw. es versuchen will).

    An mein Nadelbriefchen kann ich mich noch erinnern, auch an den Frosch. Der Frosch den ich abgab, war der Frosch meines Bruders, weil ich es in der Schule nicht hinbekommen habe und beim Umkrempeln des Frosches alle Nähte aufgingen, so dass beim Befüllen mit Reis die ganzen Körner rausrieselelten. Ich bekam eine 2, mein Bruder ein paar Jahre vorher von der gleichen Lehrerin eine 3 😀 – leider hat meine Mutter, ohne bescheid zu sagen, irgendwann mal ihren Dachboden aufgeräumt und all diese Dinge entsorgt. Traurig. Allerdings habe ich drei Kartons, die mich jeden Umzug begleiten und in denen eigentlich nichts ist, außer Krimskrams, der mich an irgendetwas erinnert. Tagebücher. Fotos. Poster. Steine. Leere Parfümflaschen. Liebesbriefe – solche, die ich bekommen habe und welche, die ich mich nie getraut habe abzuschicken. Mein Sarah Key Kuschelkissenüberzug. Kuscheltierchen und vieles mehr… 🙂

    Ein Dirndl(artiges Kleid) hatte ich auch. Da war so eine weiße Bluse mit Puffärmelchen drunter und das Kleidchen war ganz klein hellrosa-dunkelrosa-weiß-kariert. Mit Schleifchen um die Taille und Spitze am Saum. Dazu gab es weiße Kniestrümpfe oder Strumpfhosen, die viel zu schnell schmutzig wurden und zum auf Bäume klettern nicht geeignet waren. Ich glaube, ich trug dazu rote Schuhe, die jeweils ein gelbes Blümchen an der Schnalle hatten. Dazu Affenschaukeln in die (damals) blonden langen Haare und fertig war das Vorzeigekind. Ich glaube, deshalb trage ich heute keine Kleider. Ich MUSSTE damals, jetzt muss ich nicht mehr!!! 🙂

    Nun ist es mal wieder ein sehr langer Blogkommentar geworden. Du lässt einen aber auch immer so wunderbar in die alten, vergangenen Zeiten abdriften… 🙂 Danke dafür…

    Ach ja, auch von mir einen herzlichen Glückwunsch zum 20. Hochzeitstag… 🙂

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    • Die Reisfrösche kenne ich, mit den Kugelknopfaugen. Und Affenschaukeln hatte ich auch, mit Schleifenpropellern drin, sonntags! Ich war als Kind auch fast blond, so ein komisches rötliches Hellaschblond. Kleider waren bei mir eigentlich normal-okay, aber ich habe Strumpfhosen gehasst … ja, bei solchen Einträgen komme ich auch gern vom Hundertsten ins Tausendste. Manches wird erst in der Rückschau wirklich bewußt.

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          • Jawollja, aba ohne Eichenlaub.
            Und als ich eben von meiner Kommentar-Seite aus hier antworten wollte, passierte was ganz Ungewöhnliches: Ich wurde zu irgendwas umgeleitet, was so tat, als ob es Deine Seite iss, aba ganz grau war und mit irgendwie spanischer (?) Werbung versorgt. Das passierte 2x. Dann hab ich es üba den genauen Link zu Deiner Seite gemacht. Sowas hab ich noch nich erlebt.

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  6. Der Nähkasten ist anscheinend ein Thema, das richtig mitreißt 🙂 Schöne Aufnahmen – macht mir persönlich gleich wieder Lust loszulegen. Und so ein komisches Sammelsurium braucht man doch – brauche ich ! Das ist soo inspirierend, auch wenn man sich hin und wieder fragt, was und warum man es mit sich durchs Leben schleppt. Ich finds schön. Und ja, an das Nadelbuch erinnere ich mich auch noch. Hab ich sogar noch irgendwo. Einen so tollen Nähkasten habe ich dafür nicht 😉

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    • Nähkästchen sind kleine private Museen, denke ich immer, ganz gleich, ob man selbst dessen erster „Gründer“ ist oder ob man den sogar schon mit Inhalten mehrerer Generationen übernommen hat.
      Schöne Holznähkästen sehe ich auch immer wieder auf Flohmärkten, die stechen mir stets ins Auge, obwohl ich keinen weiteren mehr brauche. Wahrscheinlich, weil ich immer über deren Geschichten phantasiere.

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