via > Widmung – Handgeschriebenes | Philipp Elph.
<p<Alte Bücher sind faszinierend, in gewisser Weise ähnelt die Wirkung der von alten Fotos, unabhängig von meinem Bezug zu den Personen.
Ob sonst noch jemand das Gefühl kennt, auf einem Flohmarkt oder in einem Trödelladen zu einem Karton, einem Regal mit alten Büchern geradezu hingerufen zu werden?
Ich zumindest spüre so etwas wie eine Anziehungskraft und finde meistens etwas, das "antwortet", wenn ich es in der Hand habe. Verrückt, nicht?
Nicht etwa, dass die geschriebenen Inhalte meine Interessen treffen; es sind Kleinigkeiten, die eher mit dem haptischen und visuellen Ding Buch, oder aber mit seinen Lesern zu tun haben, die darin zum Spekulieren anregende Spuren hinterlassen haben: ganz gleich, ob es kalligrafisch kunstvoll geschriebene Widmungen sind, hineingekrakelte Grüße oder Markierungen, Lesezeichen, vergessene oder absichtlich dem Buch zugefügte Bildchen oder Texteinlagen … dann verliebe ich mich auf den ersten Blick in die Gestaltung von geprägten, altersgezeichneten Buchdeckeln und verstoße lust- und liebevoll gegen die Regel, ein Buch sei nicht nach seinem Äußeren zu beurteilen: doch! Und in die Illustrationen im Inneren nicht minder. Manchmal lese ich sie sogar, oft allerdings nicht gründlich, sie sind oft zu fernab und betulich geschrieben, die Romane aus der Zeit um der Jahrhundertwende, die zur erbaulichen Unterhaltung gedacht waren. Ein Beispiel aus meinem Bücherregal, im österreichischen Neusiedl am See vor Jahren auf dem Stadtflohmarkt gefunden, ist dieses:
Mit seinen roten, mit Gold und Silber geprägter Leineneinband mit feinen schwarzen Ornamenten sieht es immer noch ansprechend aus, aber das einigermassen feines Papier war feucht geworden.
Dieses Exemplar hat bereits seit 1891 eine weite Bücherlebensreise gemacht, sicherlich mit vielen Umwegen. Es gibt einen Hinweis darauf, dass es in Budapest einmal in einer Schulbücherei gestanden hatte. Dort hat es wahrscheinlich auch seine auf den Seiten erkennbaren Bleistift-Markierungen bekommen, denn es wurde anscheinend vom Deutschen ins Ungarische (oder etwa ins Französische zurück?) übersetzt.
Ohnehin ist es eine Übersetzung, aus dem Französischen. In Frankreich erschien es zuerst 1871 im Verlag Hachette & Cie., Paris, geschrieben von Madame J.B. (Josephine Blanche) Colomb, im Original“La fille de Carilès“ genannt und preisgekrönt mit dem Monthyon-Preis, der seinen Ursprung bereits im 18. Jahrhundert hat und als eine Art historischer Vorläufer des Nobel-Preises angesehen könnte, mit einem moralischen Anspruch, Begründer war Jean Baptiste Antoine Auget de Montyon.
Illustriert ist es sehr schön, mit größeren und teilweise winzigen Bildchen, als Name dazu wird auch im Web stets nur das abgekürzte „Ad. Marie“ genannt.
Madame J.B. Colomb hieß eigentlich Joséphine-Blanche Bouchet, und unter diesem Namen findet man auch endlich Informationen; sie wandte sich mit erbaulicher Literatur an die Jugend, genau wie Clementine Helm, die das Buch für die deutsche Jugend übersetzt und adaptiert hat. Clementine Helm (*1825 – +1896) „war eine viel gelesene Kinder- und Jugendbuchautorin im 19. Jahrhundert, die sich mit einem sogenannten Backfischroman einen Namen gemacht hat“. (Wikipedia)
Auf meinem Buch war darum der Name Clementine Helm’s größer gedruckt, um klar zu machen, dass es sich nicht „nur“ um eine Übersetzung handelte, sondern eine Aufbereitung, „besonders heranwachsenden Mädchen gewidmet“. Es handelt sich um die 1891 bereits in der 6. Auflage bei Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig erschienene Ausgabe aus der druckerei von August Pries, Leipzig.
Natürlich hat es, und darum paßt auch zu Philipp Elph’s Artikel, auf einem der Vorsatzblätter eine Widmung, ungelenk mit Tinte geschrieben, auf Ungarisch, von der Dávid Klárí, also einem Mädchen namens Klara David, nach deutscher Lesart. „Szeretettel ígazdató-neninek“ ist übersetzt etwas komisch: „herzlichst, Direktor-Tante“ erklärt sich erst, wenn man weiß, dass „Onkel“ und „Tante“ im Ungarischen auch eine Art Ehrentitel aus Zuneigung bedeuten, also ist dies auch ein Begriff für: Lehrerin.
Eigentlich wollte ich auf den Inhalt des Buch nicht detaillierter eingehen, denn ich habe diese Geschichte mit dem, wie ich gerade beim Recherchieren las, damals sehr gängigen Waisenkind-Motiv nur quergelesen, aber ich verstehe die historische Begründung: sicher gab es erheblich mehr verwaiste Kinder und Jugendliche in Europa als heute.
Beim genaueren Ansehen für diesen Eintrag habe ich beschlossen, den Bildern darin später noch einen extra Artikel zu widmen. Für diesen ist es erst einmal genug. Es sollte doch lediglich um Widmungen gehen, eigentlich, bevor es mich entfesselt hat, darüber hinaus zu gehen. 😳 Aber so ist das immer …
Wer bis dahin trotzdem schon mehr von meinen alten Büchern sehen möchte: ich habe im Juli 2009 schon einmal im Zusammenhang mit irgendeinem Blog Meme / Stöckchen, in dem man etwas über sich erzählen sollte, ein anderes meiner alten Bücher gezeigt. > Lesueur / Loiseau … – wie’s so kommt.
In Marie Buchmeiers „Großes praktisches Kochbuch für die bürgerliche und feine Küche“ fand ich die Methode, nach der man zur Zubereitung einer Schildkrötensuppe das Tier zunächst töten mußte.Die Autorin empfiehlt, zunächst eine glühende Kohle durch den Bauchpanzer des Tieres bis in den Bauch zu treiben. Dabei würde die Schildkröte den Kopf aus dem Panzer strecken, der Kopf könne dann abgeschnitten werden.
Na ja, nicht jedes Rezept muss man heute noch mit frischen Zutaten nachkochen.
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Dies ist ein Abschnitt aus einem Posting über die Reparatur alter Kochbücher, nachzulesen hier:
http://philipp1112.wordpress.com/2010/12/02/verkochte-bucher/#comments
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Trotzdem ist sind alte Kochbücher unglaublich interessant, was Lebensweise, kulinarische Ideale, heute ungebräuchliche Zusammenstellungen von Zutaten usw. angehen, und dass man heute anders agiert, versteht sich von selbst. Glaubte man nicht damals, dass alles, was kein warmes Blut hat, keinen Schmerz empfindet?
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Was mir an alten (Koch-)Büchern auch immer sehr gefällt, sind die darin enthaltenen Lesezeichen. Ich glaube, irgendwo gibt es sogar ein Blog dazu, was sich so in Büchern findet.
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Auf den Zetteln sind manchmal die interessantesten Rezepte!
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Stimmt, Philipp! Gestern fand ich einen wieder mit einem Rezept für Malzbiersauce, die man zu Karpfen (oder Quappen) essen soll.
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Gibt es? Daran dachte ich gestern, dass es schön wäre, so etwas.
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Hier ist eine Seite. Ich bin nicht sicher, ob es die ist, die mich vor hundert Jahren so gefreut hat, aber diese hier ist auch schön.
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Dankeschön, Lakritze!
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Das wäre ein gutes Thema zum Blogen. Da sollte ich mir wohl mal meine Bücheregale vornehmen. 😉
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Bitte ja!!!! Das wäre super 🙂
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