Die Kirche von Floh

Auf meiner Bummelreise heimwärts von Ungarn ins Wendland war die Kirche von Floh war ein geplantes Ziel, denn ich bin kein Nordlicht oder anderweitig regional Zuzuordnendes, sondern habe eine (teils nur vage nachvollziehbare) quer über die Landkarte verteilte Familiengeschichte.
Gemäß meinem grobmaschigen Wissen über das Woher und Wohin meiner Urur…großeltern lebten einige von ihnen zwischen dem 17. und 19. Jh. am Südwesthang des Thüringer Waldes direkt am Rennsteig, wo man Hennebergisch sprach, einen ostfränkischen Dialekt. Sie wurden in der Gemeinde Floh in der Nähe von Schmalkalden getauft, verheiratet oder verstarben dort (Ender, Weisheit, Hildebrandt), darum wollte ich die Kirche und ihre Umgebung gerne einmal sehen und auf mich wirken lassen.
Im 18. Jahrhundert war das Dorf Floh, das heute als Gemeinde Floh-Seligenthal zum Landkreis Schmalkalden-Meiningen in Thüringen gehört, rund 500 Jahre alt und hatte um die 800 Einwohner, hatte sein Einkommen aus einer Mischung von Bergbau mit Metallbearbeitung und dem zur Versorgung nötigen Handwerk, das, obwohl es bis heute nur ein Dorf ist, anscheinend ganz kleinstädtisch organisiert war und demnach auch Zünfte hatte. Es brannte seit dem Dreissigjährigen Krieg mehrfach und sieht darum beim Durchfahren nicht sonderlich romantisch altertümlich aus.
Um so überraschter war ich von der Floher Kirche.

Hinter einem recht klein und unscheinbar wirkenden Äußeren ist ein schön restaurierter Innenraum mit illusionistischem barockem Wolkenhimmel vorzufinden: die volkstümliche Schwester des Trompe-l’œil, schönster Bauernbarock.

2014-08-13 Floh-Seligenthal (Thüringen ) 31 Kirche Opferstock / Gotteskasten 1598 Den Wolkenhimmel haben aber die Kirchenbesucher erst nach 1743 gesehen, vor 1710 war diese Kirche noch gar nicht gebaut, sondern die Kollekte in einer hölzernen Kirche in den Opferstock / Gotteskasten von 1598 (rechts) gegeben worden. Erst 1710 ließ die reformierte Gemeinde die neue steinerne Kirche innerhalb von zwei Jahren durch regionale Handwerker errichten, die alte wurde nach der Fertigstellung 1712 abgerissen.
Zuvor mußte Orgelbauer Johannes Röder aus dem nahen Weidebrunn die Orgel aus der alten in die neu gebaute Kirche umsetzen, allerdings nicht dieselbe Orgel, wie sie heute noch zu sehen ist. 1788/89 bekam die Kirche von Floh durch Johannes Oestreich aus Oberbimbach bei Fulda eine neue, größere Orgel (siehe oben links).

Im Jahre 1743 wurde die Kirche von der Malerwerkstatt Johann Valentin Merkel aus Schmalkalden mit Wolkenhimmel, Marmorspiegel mit Girlanden und Muschelwerk sowie den Brüstungsfeldern der Emporen farbig ausgemalt; so kann man es, restauriert, auf den Fotos sehen.
Das an der Kanzel befindliche Wappen ist das des damals regierenden Landgrafen Carl von Hessen, das sich auch draussen über dem Westportal (siehe in der Galerie ganz oben) auf der linken Seite des Ehewappens des Landgrafen Carl v. Hessen-Kassel und seiner Frau Maria Amalie Prinzessin v. Kurland findet – verwirrend, doch auch wenn es heute ‚Thüringen‘ heißt, gehörte die Gegend um Schmalkalden seit 1360 zur Hälfte, ab 1584 vollständig, über etwa 600 Jahre zu Hessen.
Als eher niedlich denn imposant empfinde ich das Taufbecken mit der für den Hl. Geist symbolischen, naiv-naturalistischen weissen Taube.

Leider wurde das barocke Taufbecken nicht eigens erwähnt. Es ist auch nicht einfach, mit dem Wort „Floh“ im Web danach zu suchen; gibt man hoffnungsvoll das Wort „Taube“ dazu, wird es völlig absurd. Jedenfalls: wäre ich früher Kind dieser Gemeinde gewesen, hätte ich das Becken sicher besonders geliebt, ganz gleich, ob es wirklich barock ist oder später passend hinzugefügt. Ich wüßte trotzdem gern, wann.
Die im Artikel eingeflochtenen Informationen zur Kirche stammen größtenteils von derselben Webseite, nämlich von hier: > „Die Kirche in Floh“ – Evang. Gesamtverband Floh-Seligenthal, ein Text, der anlässlich des 300jährigen Jubiläums der Pfarrkirche Floh im März 2012 von Rainer Erbe zusammen gestellt worden ist.
Mehr zur Ortsgeschichte von Floh habe ich > auf der Seite der Gemeindeverwaltung gefunden, vom selben Autor zusammengestellt.
Tagelang könnte ich mich in Versuchen verlieren, dort erwähnten Handwerker-Namen nachzuforschen, deren Familiennamen mir in meinen eigenen Listen schon begegnet sind (Röder, Ullrich, Weisheit u.a.). An diesem Verflechtungsnetz zu zupfen und dabei über die damaligen Leben nachzusinnen, ist für mich spannend, auch wenn sich kein nachweislicher direkter Bezug herstellen läßt.
Fotos vom 13. August 2014 in Floh-Seligenthal, Thüringen. Zum Vergrössern bitte die kleinen Bilder im Artikel anklicken.

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