Ein neuer Tag in Barcelona, der 10. April 2015. Die Fensterläden des Appartments schlossen das Tageslicht aus, lebhafter Straßenverkehr findet in unmittelbarer Nähe wegen der schmalen Gassen nicht statt.
Auf der Fassade gegenüber waren morgens um acht die Balkone still, auf denen am Abend zuvor noch gekocht wurde.

Einer der Balkone gegenüber, an der Passatge Bernardi Martorell
Unten in der Gasse waren Schritte zu hören und Gespräche. Die engen Gassen östlich der Rambla del Raval waren morgens um zehn noch sehr schattig. Nicht nur wegen des morgendlichen Sonnenstands, sondern auch, weil sie noch nicht ganz frei waren von den menschlichen Schatten der Nacht. Damit meine ich die Mischung aus unübersehbarer Armut, abgerissen aussehenden Junkies und anderen, die nicht so aussahen, als hätten sie überhaupt eine Wohnung, dazu immer noch Betrunkene oder sonstwie Berauschte und (am Abend zuvor) auch Dirnen, die unübersehbar in der Calle d’En Robador um die Ecke auf Ansprache warteten. Wegen ihnen allen wird die Passatge Bernardi Martorell, der schmale Fussweg, in der auch die Haustür zu meinem für vier Tage gemieteten Appartment liegt, nachts mit Gittertüren verschlossen und nur auf der Seite zur Carrer de l’Hospital auf Läuten von einem Concierge geöffnet.

Passatge Bernardi Martorell / Carrer de l’Hospital
Im Kopfteil des Gittertores gibt es eine Jahreszahl: 1842. Der Torbogen unter dem Haus mit der Nummer 99 verbindet seit 173 Jahren die Carrer de l’Hospital mit der Carrer de Sant Rafael, an deren einem Ende eine der dunkelsten Ecken des Viertels El Raval liegt und am anderen der schicke Hotelturm des Barceló Raval steht, mit Pool und Cocktail-Lounge auf dem Dach, gleich neben den hohen Palmen auf der Rambla de Raval.
In den engen Gassen mit den hohen alten Häusern gibt es keinen Platz für Bäume, da wächst das Grün in kleinen Töpfen, auf Balkonen, :

Nachbarhaus in der Carrer de l’Hospital
… gleich neben dem Eisentor in der Carrer de l’Hospital nach oben gesehe und, gleich noch in die gegenüberliegende Carrer d’En Roig hinein fotografiert:

Carrer d’En Roig
Die kleine Bäckerei an der Ecke zur kleinen Gasse Carrer de la Riera Baixa hat sogar einen Namen: Paloma Blanca; sie ist hier nur per Google Street View zu sehen, als Screenshot gemopst, denn als ich den Laden besuchte, war er nicht leer, sondern voller lebhafter, orientalisch gekleideter junger Frauen, die ihre ebenfalls zum Einkaufen herein kommenden Bekannten mit Küsschen begrüßten und mir darum freundlich die Gelegenheit gaben, ohne warten zu müssen, meine Wahl zu treffen. Die Entscheidung zwischen den unglaublich vielen, lecker aussehenden Broten und Teilchen in den verschiedensten Ausführungen fiel auf die besten Schokoladencroissants, die ich seit langem gegessen habe. Die fluffigen Croissants kamen aber erst später dran, sie waren als kleine Notration für unterwegs gedacht.

Kleine Bäckerei Ecke Carrer de la Riera Baixa
Der Plan für dieses „Unterwegs“ war grobmaschig und schloss sowohl die nahegelegen Markthalle Mercat de la Boqueria mit ein, als auch über „La Rambla“, die touristische Version zu gehen, und dann Richtung Sagrada Familia abzubiegen, die bei Touristen beliebteste Baustelle Spaniens. Schnell noch etwas zum Trinken gekauft im kleinen Gemischtmittelladen mit orientalisch-spanischem Sortiment, und dann ging es über die Carrer de l’Hospital stadteinwärts …
Very well captured… 🙂
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In Barcelonetta gibt es eine unglaublich gute Zarzuela.
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So etwas vergisst man auch nicht 🙂
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Die Botanik an den Hausfassaden spricht mich sehr an. Wenn ich irgendwo bin, schaue ich auch immer in Bäckereien, um zu sehen und zu schmecken, was es anderswo gibt.
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Es war schon faszinierend, wie die Leute selbst in wirklich sehr schmalen und darum schattigen Gassen Grün an die Balkone brachten. Bäckereien und „Tante-Emma“-Läden besuche ich gern, und kaufe Sachen, die ich nicht kenne.
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So bist du mittendrinnen. Immer eine bessere Wahl als jene Hotels, die alle durchgenormt sind und stets gleich ausschauen. Wunderbar deine akribischen Beobachtungen!
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Vielen Dank, Martin! So war der Plan, und ich würde trotz einiger realer Abstriche bei den virtuellen Buchungsversprechen es wieder genau so machen. Es gibt ein vollkommen anderes Empfinden, eine Zeitlang teilzuhaben, statt sich im „betreuten Wohnen“ eines Hotels abzukapseln.
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Du hattest offenbar ein in jeder Hinsicht Mittendrin-Unterkunftsort in der Stadt, d. h. einen sehr guten Ausgangspunkt, um Stadt, ihre Menschen und den Alltag zu erkunden.
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Wobei ich beim Herumlaufen durchaus noch weitere Plätze gesehen habe, an denen das Mittendringefühl auch sehr interessant gewesen wäre.
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