Von De Bijloke zum Citadelpark

Nach meinem Besuch im Bijlokemuseum, im STA⋅M, war es früher Nachmittag, also noch genug Zeit, einfach mal weiterzulaufen, Richtung Citadelpark. Dazu musste ich ein Stück am mehrspurigen Kleinen Stadtring entlanggehen, an dem aber trotzdem einige Häuser aus der Belle Époque zu sehen sind, auch das mit der schönen Verglasung in der Haustür zum Hinterhof, auf dem ersten Foto hier auf der rechten Seite der > Ijzerlaan bzw. der anschliessenden Charles de Kerchovelaan– so genau kann ich den Abschnitt nicht mehr nachträglich bestimmen, denn ich hatte das Glück, durch eine offene Vordertür spinxen zu können.

Die hundertjährigen Häuser entlang dieser Strasse sind momentan im „Vorsanierungszustand“, das heisst: nicht gut, teilweise leer und zum Verkauf stehend. Die Gedenksäule mit der goldenen Victoria-Figur auf der Spitze wurde errichtet zu Ehren von > Charles, Graf de Kerchove de Denterghem, (1819-1882) promovierter Ingenieur und liberaler Politiker, u.a. auch Bürgermeister von Gent Ende des 19. Jhs.. Geschaffen wurde die Säule vom Bildhauer Hippolyte Leroy mit dem Architekten Achille Marchand, aufgestellt wurde sie 1898. Unweit der Säule kann man in den Citadelpark hineingehen.

Der Park wurde nach dem Abriss der ehemaligen niederländischen Zitadelle angelegt, die dort von 1819 bis 1831 bestanden hatte. Der damalige o.g. Bürgermeister Charles de Kerchove de Denterghem hatte den Grund 1870/71 durch die Stadt Gent ankaufen lassen und 1874 wurde ein Urbanisierungsplan für einen neuen Stadtteil erstellt. 1875 wurde der Park nach Entwurf durch Hubert Van Hulle, dem Leiter der öffentlichen Gartenanlagen und der Botanischen Gärten Gents, nach dem Vorbild Englischer Gärten angelegt. Zur Weltausstellung von 1913 wurde er nach Entwurf von Edouard André und Louis Fuchs saniert und Ausstellungsgebäude wurden errichtet. 1930 wurde der Citadelpark zur Hundertjahrfeier der belgischen Unabhängigkeit erneut umgestaltet. Schon beim ersten Plan wurden Überbleibsel der Zitadelle umgewandelt und mit einbezogen, was u.a. die abwechslungsreichen Niveaunterschiede erklärt, anderes wurde bei der Parkgestaltung völlig neu errichtet, auch der Musik-Pavillon am Louis Hanssensdreef genannten Weg in der nordwestlichen oberen Ecke. Der Muziekkiosk entstand unter der Leitung des Stadtarchitekten Charles Van Rysselberghe, ausgeführt durch die Firma Beert-Campens & fils , im Jahre 1885; 1911 musste er zur Weltausstellung Platz machen für den Kolonien-Pavillon Frankreichs für Algerien, Tunesien und Marokko, 1914 wurde er wieder aufgebaut. Erstaunlich – irgendwie rechnete ich nicht mit einer solch modern anmutenden Verfahrensweise, die aber damals auch zu Schwund führte, denn vor dem Abbau soll es einen krönende Figur auf dem Dach gegeben haben, die anschliessend verschwunden blieb.

Seit wie vielen Generationen sich die Hühner erfolgreich im Park vermehren, ist hingegen ungewiss. Ich habe die goldhalsige > Ardenner-Henne mit ihren mindestens sieben schon halbbefiederten, demnach gut zweieinhalb Wochen alten Küken in einem von hohem Gesträuch bestandenen Teil des Parks entdeckt. Diese alte Landhuhnrasse stammt ursprünglich aus den belgischen Ardennen und gilt als eine der ältesten Haushuhnrassen im Land. Im 19. Jh. wurde sie durch ertragreichere Import-Rassen zunehmend verdrängt. Weil die Ardenner Hühner noch eine sehr ursprüngliche und aktive Lebensweise im Freiland beherrschen, zu der eine gute Flugfähigkeit und somit das Schlafen auf Bäumen gehören, wird sich die Hühnerpopulation im Citadelpark sicher weiter erhalten können, um Spaziergänger zu überraschen und zu unterhalten. Diese entdeckte ich unweit des künstlichen Felsentunnel-Portals, das den Übergang zwischen Norbert Rosseaudreef und Louis Minarddreef überbrückt – zu dunkel zwar, aber ich wollte auf die Bilder nicht verzichten.

Die Grotten- / Tunnelanlage mit einem breiteren und zwei schmaleren Durchgängen ist Teil des sogenannten „Schweizer Tals“ nach der Parkplanung von 1875. Teile der Kasematten wurden durch den Brüsseler “Rocailleur” F. Dumilieu 1877 mit Zement und Natursteinen zu Felsen und Grotten umgestaltet. – Auf dem nächsten Foto sieht man von der Paul Bergmansdreef kommend zu einer steinernen Pergola-Anlage, die zum „Hundertjährigen“ 1930 gebaut wurde, ursprünglich mit einem Rosengarten im französischen Stil, von dem nicht mehr viel übrig ist. Seit 1984 steht der Park als Landschaftsdenkmal unter Schutz, wirkt allerdings etwas matt und wie aus der Zeit gefallen, sehr melancholisch; schwer zu beschreiben, das Gefühl. Ich hatte ausserdem mal wieder – wie in Berlin schon – das Pech, die Wasseranlagen leer zu sehen. Durch die deprimiert auf bessere Zeiten wartenden Enten vor den angetrockneten Morastgründen wurde die vorher schon empfundene triste Wirkung noch verstärkt.

Gleich neben den mager bewachsenen steinernen Laubengängen fand ich eine Skulptur zwischen Rasen und Ligusterhecke, eine Raubkatzenszene, die mich, allzu bodennah, frevelhafterweise eher an grünglasierte Gartenkeramik erinnerte. Dabei handelt es sich um eine Bronzeplastik des Bildhauers Jaques de Lalaing von 1887 und zudem sollen es Tiger sein, die sich um eine erbeutete Antilope streiten. Der 1858 in England geborene und aufgewachsene Maler und Bildhauer, Sohn eines belgischen Diplomaten und einer englischen Adeligen, kam für seine künstlerische Ausbildung nach Belgien. Ein Hauptthema war für ihn die Darstellung von Tieren und er machte sich damit einen Namen. Erst 1884, drei Jahre vor den „Streitenden Tigern“, hatte er mit der Bildhauerei begonnen. – Im Gegensatz zu den Bronzekatzen waren deren kleine, aber lebendige Verwandte miteinander sehr friedfertig. Sie lagen neben einer Gruppe von Sträuchern am südöstlichen Parkrand beim Tierheim in der Nähe des abgelassenen, leeren künstlichen Sees in der Sonne.

Dieses Gewässer wird durch eine Brücke von der Emile Clauslaan gequert, und ich ging auf die andere Seite, um ein bisschen durch die Reste des ehemaligen Botanischen Instituts zu streifen, das schon seit Jahren vom Complex Ledeganck vereinnahmt worden ist, einem Teil der Universität Gent. Es wirkte alles ausgedünnt, aber noch immer interessant, vor allem wegen der exotischen Pflanzen, die sich zum Teil verselbständigt hatten. Die blauen Passionsblumen Passiflora caerulea und ihre gelben Früchte fanden sich nicht nur im Beet, sondern inzwischen auch in den Sträuchern beim Teich, dem Endstück des Vijver aus dem Citadelpark. An diesem Ende gab es sogar noch etwas Wasser für die Enten und der Boden unterhalb des Gehölzrands und am Teichufer überraschte mit winzigen rosa und weissen botanischen Alpenveilchen Cyclamen, was mit den darin ruhenden Enten sehr hübsch aussah.

Fotos vom Nachmittag des 25. August 2015 in Gent, Flandern, Belgien – zum Vergrössern bitte die kleinen Bilder anklicken.

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6 Gedanken zu “Von De Bijloke zum Citadelpark

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