Verregneter Abendspaziergang über den Colina das Chagas (2/46)

Der wenig positive Wetterbericht bewahrheitete sich. Am Abend regnete und stürmte es in Lissabon ziemlich ungemütlich, doch ich war viel zu neugierig darauf, mehr von der Stadt zu entdecken. Darum nahm ich mir einen der bereitstehenden Schirme und ging los. Unter diesem Schirm heraus habe ich sogar einige Bilder gemacht, vom verregneten und stürmischen Abendspaziergang über den nächsten der sieben Hügel von Lissabon, über den Colina das Chagas, während der Wind versuchte, ihn umzuklappen oder ganz wegzureissen.
Das erste Foto zeigt die Igreja da Rua das Chagas, die Kirche am Ende der Rua das Chagas wurde nach dem Erdbeben von 1755 anstelle des zerstörten Vorgängergebäudes errichtet; sie liegt oberhalb des > Pátio do Pimenta. Die Kirche wurde 1542 durch eine Bruderschaft gegründet, die sich insbesondere den Seeleuten auf Reisen nach Übersee widmete.
Wegen des erbarmungslosen Windes und der steilen Treppengassen verlief mein Weg mehr im Zickzack, als ich ihn bei anderem Wetter und nach einem weniger anstrengenden Tag gewählt hätte.
Aus beiden Gründen stand ich bald wieder oben auf dem Largo Calhariz, einem Abschnitt zwischen der Rua do Loreto und der Calçada do Combro. Dort befindet sich eine der beiden Haltestellen einer Standseilbahn, des Elevador da Bica, die den Höhenunterschied des Colina das Chagas von 45 m überwindet, so dass man bequem zur Markthalle bzw. von dort zurückkommen kann. Von dort aus sieht man auf dem Foto die Calçada da Bica Pequena hinunter, im Vordergrund mit dem Elevador da Bica, auch Ascensor da Bica genannt. Es ist eine Konstruktion des portugiesischen Ingenieurs Raoul Mesnier du Ponsard und wurde 1892 in Betrieb genommen, ursprünglich mit Wasserballast angetrieben, vier Jahre später mit Dampf, seit 1914 ist der ‚Elevador‘ elektrifiziert. Man überblickt nicht die gesamten 283 m der Strecke, aber weil ich an einem anderen Tag damit gefahren bin, gibt es später noch mehr Bilder davon. Unter der Markise einer Pasteleiria in der Calçada do Combro blieb ich stehen, sah dem Strassenverkehr und den durch Regen und Wind eilenden Menschen zu und überlegte, was ich bei dem Wetter noch tun wollte. Die Calçada do Combro abwärts kam nämlich der Wind direkt von vorn, so dass ich hinter dem Schirm verschanzt nichts gesehen hätte, doch auf der gegenüberliegenden Strassenseite führten die Treppen der Travessa de Santa Catarina „irgendwohin“, und das war einen Versuch wert.

Letztendlich gelangte ich so zu einer kleinen Aussichtsterrasse mit Blick über den Tejo, dem Miradouro de Santa Catarina, wo zuerst ein „künstlicher Felsen“ mit einer Möwe darauf meine Aufmerksamkeit auf sich zog, weil auch ein kleiner nackter Mann darauf herumkletterte – ich stand nämlich auf der Rückseite des Adamastor, einer Statue aus dem Jahr 1927, geschaffen vom Bildhauer Júlio Alves de Sousa Vaz Júnior nach einer allegorischen Riesengestalt, die der portugiesische Dichter Luís de Camões im 16. Jahrhundert, inspiriert von der griechischen Mythologie als personifizierte Sturmgewalt und Gegenspieler Vasco da Gamas auf der Indienroute in seiner epischen Dichtung Os Lusíadas beschrieben hatte. Adamastor wurde so zum Sinnbild für alle Gefahren auf See beim Umrunden des Kaps der Stürme bzw. des Kaps der Guten Hoffnung.

Der Mirador wurde schon 1883 angelegt, aber mehrfach verändert, zuletzt 2013. Bei schönem Wetter ist ein Besuch dort bestimmt noch viel eindrucksvoller als an meinem Regenwetter-Abend, aber trotzdem war ich froh, noch dorthin gefunden zu haben. Die Aussicht über die Dächer, die Häuser, den Fluss Tejo hinweg auf die Brücke Ponte 25 de Abril und die winzig erkennbare Christus-Statue auf dem gegenüberliegenden Ufer der Península de Setúbal bei Almada hatte auch so ihren Reiz. – Fotos vom Abend des 30. März 2016 in Lissabon, Portugal; zum Vergrössern bitte die Bilder anklicken.

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6 Gedanken zu “Verregneter Abendspaziergang über den Colina das Chagas (2/46)

    • Für mich geben die Bilder die gemischten Empfindungen von Melancholie, Wettertrotz und Entdeckerfreude wieder, und ich freue mich, wenn sie das dir auch als nicht direkt beteiligtem Betrachter etwas davon transportieren können.

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