Prag – Nové Město: zwischen Alt und Neu

Die Galerie beginnt am Ende des Masaryk-Kais Masarykovo nábřeží, wo die im Artikel > Prag – Nové Město – Masarykovo nábřeží (1) aufgehört hat: am Jirásek-Platz Jiráskovo námestí, wo die Jiráskuv-Brücke Jiráskuv most über die Moldau führt und sich auf dem diesseitigen Ufer, aber dem Platz gegenüber, das Tanzende Haus Tančící dům befindet. Geht man also an der mattgrünen Fassade des reich verzierten Hauses mit den Nummern 2014 bzw. 2 des Masarykovo nabrezi entlang und biegt um dessen Ecke, steht man auf dem Jirásek-Platz und kann feststellen, dass sich als zweite Hälfte der zum Platz weisenden Seite ein sehr ähnliches Haus anschließt. Die Farbe wechselt mehrfach, von zuerst Grün über Fastweiss zu Sandfarben an der Ecke des Platzes zur Náplavní, so dass erst auf den zweiten Blick erkennbar ist, dass es nicht nur an der Farbe liegt, sondern auch an der zwar gut angepassten, aber doch anderen Dekoration, denn die Atlanten des „westlichen“ Teils teilen sich unter Männern und Frauen die Arbeit auf, während bei der östlichen Hälfte ausschließlich männliche Figuren die Balkone stützen. Wirklich wichtig ist diese Beobachtung nicht, aber sie macht deutlich, wie unterhaltsam auch die ganz normalen Gebäude von Prag sein können.
Aber wie man schon auf dem 1. Foto in der oberen Galerie sehen kann, sind sie ja nicht alle „ganz normal“, und das Tanzende Haus Tančící dům auf der anderen Seite vom Jirásek-Platz tanzt ganz besonders aus der Reihe:

Das Bürogebäude, das auch „Ginger und Fred“ genannt wird, steht direkt am Ufer der Moldau, und man sieht vom Jiráskovo námestí aus nur einen recht kleinen Teil dessen. Ich bin nicht hinüber gelaufen, aber den > Wikipedia-Artikel zu lesen ist trotzdem interessant. Stattdessen bin ich bei den gutaussehenden Atlanten (siehe oben) geblieben, lediglich am Haus entlang gegangen, um die nächste Ecke in die Strasse namens Náplavní eingebogen. In der Náplavní gab es wieder Jugendstil- Häuser zu entdecken:

Und während die Náplavní-Hausnummer 2012/3 aus dem Jahre 1907 ziemlich brav geschmückt wurde, erstaunt dessen Nachbarhaus mit der Nummerierung 2011/5 oberhalb eines dezent-ornamentalen Bordürenschmuck mit Pflanzenmotiven, ganz oben und Richtung Osten gewandt, durch eine „Sonnenanbeterin“ mit ägyptisch anmutender Kopfbedeckung. Leider ließ sich nichts Näheres über das Haus finden. Anders verhält es sich beim nächsten Haus, schräg gegenüber:

Das Haus Náplavní Nr. 1618/6 mit den beiden Skulpturen über den Säulen des Portals im Neorenaissance-Stil soll schon 1882 gebaut worden sein. Die beiden idyllisch wirkenden Skulpturen mit den Paddeln in der Hand stammen vom tschechischen Bildhauer > Josef Mauder (1854-1920). Heute ist das Gebäude ein Hotel.
An dieser Stelle sehe ich den Beitrag wachsen und überlege, ob ich ihn wegen Überlänge teilen sollte. Weil er aber in seiner Gesamtheit trotzdem nur weniger Meter Fussweg umfasst, gehört das Vorige sinngemäß zusammen mit dem nächsten Foto mit Blick zurück aus der Dittrichova, zurück in die Náplavní, und damit auf die Jugendstil-„Sonnenanbeterin“ (s.o.) links im Bild. Auch das grüne Haus mit dem dunklen Zwiebeltürmchen, ebenfalls in der linken Bildhälfte, ganz hinten, ist gleich noch einmal näher zu sehen, denn ich war zwar durch die Dittrichova zur Resslova hinaufgegangen, aber auch wieder zurück.

Auf der Resslova sind die nächsten beiden gegensätzlichen Fotos entstanden. Die beiden Gebäude stehen gar nicht so weit voneinander entfernt: die Kirche St. Wenzel von Zderaz aus dem 12. Jh. und das ‚Tanzende Haus‘ von 1994. Die auf romanischen Resten einer Burgkirche entstandene gotische Kirche St. Wenzel Kostel svatého Václava na Zderaze kommt unter dem dunklen Licht der Regenwolken und grau von den Emissionen der Grossstadt nicht gut zur Geltung, aber ist durch Alter und Form etwas Besonderes und von innen für mich auch schön. Das tschechische Wikipedia ist auch hier natürlich informativer und reicher an Fotos, darum habe ich wieder die Webübersetzung verlinkt > hier bitte anklicken.

Die Kirche wurde zwar im Laufe der Zeit dem jeweiligen Zeitgeschmack entsprechend verändert, aber 1926 regotisiert und wird seit 1927 von der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche genutzt. Zwischen der Kirche und dem Turm des Tanzenden Hauses liegen zwar nur rund 100 Meter, aber 800 Jahre. Weiter oben im Artikel war es ja schon zu sehen und ein Link dazu zu finden. Dieser Zusammenstoss des Alten mit dem Neuen gefällt sicherlich nicht jedem, aber gerade wegen des Außergewöhnlichen finde ich es weniger unpassend, als hätte man dort einen neutraleren Bau hingestellt.
Nach dieser Stippvisite bin ich, wie schon erwähnt, wieder durch die Dittrichova und Náplavní zurückgegangen bis zur Myslíkova, und durch die nach Westen gesehen kann man den Šítkov-Wasserturm am Masarykovo nábřeží sehen, so nah beieinander liegt das alles.

Allerdings wandelt sich innerhalb von Sekunden und wenigen Schritten nach der Einmündung der Náplavní spürbar die Atmosphäre: in der Myslíkova ist unübersehbar „Hipster-Gebiet“, so deutlich, dass man meint, nach Berlin versetzt worden zu sein, nur mit schöneren Häusern, wie z.B. das wunderbare Jugendstil-Eckhaus an der Ecke Myslíkova / Kremencova , oder das an der Ecke Myslíkova / Odborů , wo es ausserdem, in Gestalt von an farbigen Regenschirmen über der Strasse schwebenden grauen Polyesterfiguren, noch Kunst von Michal Trpák zu entdecken gibt:

Von den schwebenden Figuren des tschechischen Künstlers gibt es mehrere dort. Im Nachhinein kommt mir die Strecke wegen der Vielfalt der Eindrücke viel länger vor, aber eigentlich beanspruchte der gelb eingezeichnete Weg zwischen den 3 roten Punkten vom Jirasek-Platz mit Blick auf das ‚Tanzende Haus‘ über die Náplavní, Dittrichova, Resslova und Myslíkova bis zum letzten Foto an der Ecke Myslíkova / Odborů in diesem Beitrag trotz vielem Innehaltens wohl nur eine halbe Stunde.

Die Fotos sind vom Mittag des 15. Juli 2017 in der Neustadt Nové Město von Prag, Tschechien – an den hellgelben Pfeilen auf dem beigefügten Google-Maps-Satellitenbild kann man meinen bisherigen Weg durch die Neustadt verfolgen, zu dem es, angefangen bei der Brücke der Legionen, schon vier > vorausgehende Beiträge gegeben hat.
Zum Vergrössern der Fotos im Artikel bitte die kleinen Bilder anklicken.

2 Gedanken zu “Prag – Nové Město: zwischen Alt und Neu

  1. Manchmal gefällt mir die Mischung von alt und neu ebenfalls ganz gut, aber es kommt sehr darauf an. Wie immer Geschmacksache 🙂 Es ist so toll, so eine Stadt zu erleben, wo nichts zerstört wurde. Ein ungewohntes Bild, sich an sooo vielen tollen Hausfassaden erfreuen zu können.

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