Neonbeleuchtung. Eine Röhre flackert bekanntlich immer. Vorsintflutlich.
Auch die Stapel-Stühle mit dem mageren Metallgestell und kaffeebraunem Kunstlederbezug sind kaum jünger.
Mit ihnen stelle man sich nun einen Stuhlkreis vor. Virtuell.
Eine Frau steht auf und ergreift das Wort:
„Mein Name ist Puzzle* und auch als Puzzleblume kennt man mich. Ich habe etwas in meiner Vergangenheit getan, das ich nicht mehr tun will.“
Im vorigen Jahrhundert hatten die Leute im Web noch Aversionen gegen Klarnamen oder welche, die so aussehen. Sie stockt und zupft verlegen am Ohrring, bevor sie sich errötend zum Weitersprechen überwindet:
„Viele haben das gemacht und ich war eine Mitmacherin. Ich habe nicht Nein gesagt. Ich habe es sogar gern getan.“
Stuhlbeine scharren auf dem Kunststoffboden.
Jemand lehnt sich vor. Erröten ist vielversprechend.
Puzzleblume fährt fort:
„Es war mir egal, ob ich die jenigen schon gut kannte, die mich eingeladen hatten, oder nicht. Es fand sich auch immer jemand, der mitmachen wollte.“
Das Neonlicht flackert.
Einer räuspert sich. Eine Brille wird wieder hochgeschoben.
Man denkt an Trink-Spiele und Swinger-Treffen, oder an Karneval.
Puzzleblume flüstert beinahe, als sie fortfährt:
„Blog-Stöckchen… ihr wisst schon: Fragen beantworten bei Awards, Blog-Memes und so. Hat damals jeder gemacht. Ich wollte das ja auch, da bin ich ehrlich. Es war eine Herausforderung, aus langweiligen Fragen das Beste herauszuholen, und es machte Spass zu sehen, wie es die anderen machten …“
Sie seufzt und zupft wieder am Ohrring, bevor sie weiter spricht:
„… und ich habe immer noch eine Kategorie in meinem Blog, mit der man die vielen Hundert beantwortete Fragen finden kann. STÖCKCHEN | MEMES | TAGUÉE | AWARDS heisst sie.
Es waren lustige Zeiten. Schade, dass sie vorüber sind. Die Blog-Intentionen haben sich verernsthaftet. Solche Spiele gelten nun als Schneeballsystem-Belästigung. Ich habe mich ganz elend gefühlt zuletzt, so unkultiviert und frustriert. Vielleicht kennt das auch jemand hier im Stuhlkreis.“
Puzzleblume schaut sich um, aber trifft nur auf niedergeschlagene oder woanders hin gerichtete Augen.
Fingernägel, vergessene Klebestreifen an der Wand, Lochmuster in der Deckenverkleidung.
So gelingt ihr auch das abschliessende Geständnis:
„Mir fällt das immer wieder schwer abzulehnen. Aber wenn keiner mitspielt, ist das wie früher, wenn ich mein Gummitwist zwischen zwei grossen Mülltonnen aufgespannt habe, weil gerade niemand sonst da war…“
Ihr Blick geht in die Ferne.
Einer der Zuhörer neigt sich auf seinem braunen Kunstledersitz zur Seite und flüstert seiner Sitznachbarin zu:
„Schlimme Sache, das. Aber: was ist Gummitwist?“
Eine allfällig notwendige Erklärung zu Blog-STÖCKCHEN | MEMES | TAGUÉE | AWARDS:
Diese kleine Szene möchte illustrieren, weshalb ich – trotz schlechtem Wetter, also unter idealen-Stöckchen-Bedingungen – Anfragen zu Awards und Blogspielen nicht mehr annehme.
Es soll sich bitte niemand deswegen abgelehnt und unwohl fühlen, denn sachlich habe ich nichts dagegen.
Ich habe es nur nach einigen, in jüngerer Zeit bei mir in die Sackgasse geratenen Versuchen endgültig aufgegeben.
(Es gibt auch kaum noch Fragen, die ich noch nicht beantwortet habe, siehe Link.)
Bravo 👍👍😁😁
Schönen Sonntag dir ❤
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Danke dir, Matilda, das freut mich. Dir auch einen schönen Sonntag.
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Danke 😊
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Herrlich witziggeistreich!!! 🙂
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Einen ganz lieben Dank! 🙂
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Sehr schöne Geschichte! Der Schluß ist herrlich:-)
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Danke, Almuth. Das war „Unter-Einbein“. ^^
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Unter-Einbein ??
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Ihr habt vielleicht andere Bezeichnungen gehabt?
Bei uns war das „Unter-Einbein“ : Gummitwistband parallel, aber nur um ein Bein, und zwar in dieser Position auf der Wade / Unterschenkel, schon relativ schmal für die gewählte persönliche Kür, die von unten nach oben beibehalten werden musste, aber machbar.
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An die Gummitwistphase erinnere ich mich nur rudimentär und an Einbein schon gar nicht, lach 🙂 Ja, wer weiß, regionale Eigenart vielleicht?
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Wir haben das exzessiv gespielt. Ich war mit Zwillingen befreundet, das war prima dafür.
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^^ Wie praktisch!
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Du sprichst mir aus dem Herzen. Diese Award-Fragen meide ich auch. Wenn sich jemand in einen Blog einliest weiss er wer da schreibt. Liebe Grüsse tom
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Auch ohne gezielte Fragespiele aus den Artikeln und Bildern eines Blogs herauszulesen, „wer“ da schreibt, ist wirklich sehr reizvoll. Liebe Grüsse, Heide.
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Mich hat noch nie jemand eingeladen ……. buht buhu buhu …. wo gibt es einen Stuhlreihen für die Nichteingeladenen
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Du, das macht mich jetzt wirklich betroffen. Ich würde dir meine Tigeraugen- und Rosenquarz-Beads leihen, wenn du denkst, das könnte dir guttun.
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Früher, in den 80er Jahren, hatten wir ja eine Eso-Buchhandlung in Köln. Da haben wir auch mit Tigeraugen und Rosenquarz gehandelt. Prima Gewinnspanne. da sehe ich die Tigeraugen noch so vor mir…..
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Ich dachte daran. 🙂
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Einen Stuhlkreis natürlich ….
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Ja, echt toll. Gummitwist 😀
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Da tauchen auch aus den geistigen Untiefen mir so Bilder auf. Wie ich daneben stand und mich wunderte. Während sie hüpften und lachten. Selbst bin ich aber nicht so weit. hm
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Hüpfen und Lachen – das fasst es perfekt zusammen. Ist irgendwie nicht so das Jungsding gewesen.
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Ja, so ist das – die Zeiten haben sich geändert. War es nicht schön: damals zu den Live Spaces Zeiten – als alle noch Alle quitschvergnügt und bar jeglicher finanziellen Interessen „bloggten“ (ich weiß nicht mal, ob man uns so bezeichnen konnte)?
Irgendwann wurden wir erwachsen und verließen die Spielarena und wurden richtige WordPress-Blogger – und irgendwann wurde auch so manchem Blooger der Floh ins Ohr gesetzt, damit reich zu werden – das war eigentlich das Ende der Bloggerei aus Spass an der Freude, denn jetzt glaubte jeder Blogger, der auch nur halbwegs gut bei google zu finden war, dass SEIN Blog natürlich der weltbeste sei.
Das merkte man bei Blogparaden: vermeintlich harmlosen Wettkämpfen, in denen Blogger, die alle glaubten, dass Ihre eigenen Blogs selbstverständlich der Beste wäre (wir alle wissen natürlich, dass MEIN Blog der Beste ist!), gegeneinander antraten, auf das der Primus Interpares gekrönt wurde.
Während ich also damals stundenlang alle Blogs besuchte, um zu sehen, was andere Blogger an Inhalten präsentierten, hatte von Seiten der Mitstreiter Niemand das gleiche Bedürfnis. Warum auch? Man wähnte sich ja als Bester Blog der Welt – und verdammt noch mal, da hat man es nicht nötig mal über den eigenen Tellerrand zu schauen.
Und so zieht sich diese Geschichte eigentlich durch alle Versuche bisher unbekannte aber qualitativ hochwertige Blogs in den Fokus zu bekommen: jeder ist nur drauf erpicht möglichst viele neue Follower, Abonnenten oder Stammleser zu bekommen – investiert aber im Gegenzug nichts (wie gesagt, man hält sich ja für den Besten Blogger der Welt – und da hat man derlei Zeitverschwendung, wie auf anderen Blogs zu kommentieren, nicht mehr nötig- die Leser sollen gefälligst auf dem weltbesten Blog kommentieren, Basta!)
Ich war damals auch noch so naiv zu glauben, dass wenn man auf anderen Blogs kommentiert, irgendwann auch Kommentare des Gegenübers kommen würden (wie dumm ich war) – denn natürlich geschah nichts dergleichen.
Bei dir liebe puzzle – wir haben ja eine gemeinsame Vergangenheit bei den Live Spaces kommentiere ich nur noch sporadisch (wie jetzt, weil es ein Thema ist, welches mir selber am Herzen liegt) – ich kann mit deinen Naturthemen leider nicht viel anfangen – obwohl ich dein Wissen um die Fauna hoch einschätze. Aber so ist das halt, wenn sich Interessen verlagern.
Generell haben die Leute im Internet (wahrscheinlich auch im Privaten Bereich) heute das Problem zu egoistisch zu sein und meinen Sie müssten keine Netzwerkpflege betreiben. Aber ich blogge immer noch und viele der damals bei Blogparaden nur auf Eigenvermarktung ausgerichteten Blogs sind weg vom Fenster – also habe ich wohl vieles richtig gemacht und viele Andere vieles falsch…
— Just my 5 Cents —
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Mehr als nur 5 Cents, lieber Peter! Und mit welchem Genuss ich bei meiner jüngsten Blog-Grossaktion, die Einzelteile zusammenzubringen, ich die alten Kommentar-Sequenzen gelesen habe!
Und wie melancholisch man da werden kann, weil jemand, den man darin wiederentdeckt, in den unendlichen Weiten verschwunden ist.
Aber du hast natürlich recht im Hinblick auf die kommerziellen und / oder reputierlichen Interessen und die natürliche Barriere von Themen, zu denen man nichts zu sagen hat – letzteres ist z.B. unser beider kleines Problem. Macht nichts, das ist gar nicht das Ding, denn wenn es mal eines gibt, bei dem etwas klingelt, dann geht es ja doch – weil man grundsätzlich will. Sieht man ja gerade. 🙂
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schöne Geschichte, also, das ist nichts für mich, beste Grüße von mir zu dir, Klaus
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Es war einmal … Danke für die Grüsse, Klaus.
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