Wismar (10) – der Marktplatz, die Wasserkunst und das Schwedenfest

Die Weite des von schönen alten Häusern umgebenen Marktplatzes gehört zu den Sehenswürdigkeiten der Altstadt von Wismars, und die sogenannte Wasserkunst aus dem 16. / 17. Jh. im Stil der Renaissance, die sich in der südöstlichen Ecke des Platzes befindet, ist eine weitere der Besonderheiten der Stadt. Weil ich für meinen Besuch aber das Wochenende gewählt hatte, an dem das Schwedenfest in Wismar stattfand, wurde die Wirkung der Sehenswürdigkeiten durch die für das Schwedenfest aufgebauten Zelte, Bühnen, Bierbänke und das ganze Gedöns verdeckt und geschmälert. Den Pavillon der Wasserkunst zu seinem Schutz während der Veranstaltung unzugänglich zu machen mag sinnvoll sein, aber bedauerlich war es schon, ihn so unzugänglich zwischen unschönen Absperrungen vorzufinden.

2018-08-18 hab elf in WISMAR, Am Markt - Wasserkunst, Marienkirchturm (links), Schwedenfest-Aufbauten und - Absperrungen, Rathaus (rechts)

Da blieb mir nur, mir das Kunststück der Trinkwasserversorgung in Wort und Bild bei Wikipedia zu bestaunen > hier. Immerhin versorgte die Wasserkunst vom Beginn des 17. bis zum Ende des 19. Jhs. 220 Haushalte und 16 öffentliche Entnahmestellen mit Trinkwasser. In meinem Artikel über die Dankwartstrasse kann man ein Beispiel dafür lesen, dass dies nicht nur rund um den Marktplatz der Fall war, sondern über eine erstaunlich weite Strecke: das von mir als Beispiel für das Alter von Häusern in dieser Strasse > hier beschriebene gelbe Doppelgiebelhaus Nr. 55, das bei seiner Verzeichnung im Wasserleitungsplan von 1710 damals die Nr. 196 trug, war folglich an dieses Versorgungsnetz der Wasserkunst angeschlossen, eine fussläufige Strecke von etwa 350 Metern sind es heute zwischen beiden.
Man kann mein Foto zum Vergrössern anklicken, um mehr darauf zu erkennen: links im Bild ragt der St. Marien-Kirchturm auf, rechts am Rand ist das Rathaus aus dem 19. Jh. im historistischen Stil zu sehen, oder zumindest ein Teil davon.

2018-08-18 vormittags in WISMAR Am Markt, Bewirtung für das Schwedenfest, dahinter links der St. Marien-Kirchturm

Aufbauten für die gastronomische Versorgung des Schwedenfestes, Zelt-Kioske und blau und gelb dekorierte Biertisch-Garnituren, sind auf dem zweiten Foto zu sehen, mit einer Zeile von denkmalgeschützten Bürgerhäusern mit Fassadengestaltungen um 1900 dahinter und dem St. Marien-Kirchturm, hinten links. Man sieht es schon an der Blickrichtung der Personen rechts im Bild, dass sich etwas, ausserhalb des Bildrands befindlich, vor dem Rathaus ereignete. Vermutlich war dort bereits eine Aktivität der kostümierten „Schweden“ zu beobachten, von der ich gern etwas mitbekommen wollte, also ging ich hinüber und bekam das Défilé vor dem Rathaus gerade noch noch mit:

Das Rathaus ist ein klassizistischer Bau von 1817 -19 an der Nordseite des Marktplatzes, an dessen Äusseren später noch Veränderungen vorgenommen wurden. Wie man diese Art des Vorbeiziehens der in alte Uniformen gekleideten Militärdarsteller zu Fuss und zu Pferde tatsächlich nennt, weiss ich nicht, mir fällt dazu nur „Défilé“ ein, weil’s auch passt. Teilnehmer sind Mitglieder des Wismarer Schützenvereins und militärhistorischer Vereine aus Schweden. Auf dem nächsten, vierten Bild im Beitrag sieht man den Zug an der östlichen Bebauungszeile des Marktplatzes vorbeiziehen, die unmittelbar gegenüber der östlichen Rathaus-Schmalseite liegt, auf dem Weg zur Südostecke des Martkplatzes, bei der Wasserkunst.

Die Häuser stehen zumeist über alten Kellern aus der Zweit um oder vor 1500, sind aber in ihren oberirdischen Teilen wesentlich jünger. Auch eines der markantesten Giebelhäuser am Markt, das mit der gotischen Backsteinfassade des ‚Alten Schweden‘ scheint darin, wie ich im zurate gezogenen schon mal erwähnten Dachkataster des Archivvereins Wismar > hier beschrieben fand, keine Ausnahme zu sein; immerhin ist die alte Fassade noch vorhanden. Das Haus war schon vor 1600 bewohnt, hatte aber im Wasserleitungsplan von 1710 keinen Anschluss, obwohl die Wasserkunst direkt davor steht.

Mit dem alljährlichen „Schwedenfest“ erinnert sich die Stadt Wismar an ihre 155-jährige Zugehörigkeit zum Königreich Schweden von 1648 bis 1803, als Wismar, die Insel Poel und Neukloster durch den Pfandvertrag zu Malmö an den Herzog von Mecklenburg gegangen war, urkundlich bestand sie sogar noch hundert Jahre länger, denn ein Vertrag zur Beurkundung der endgültigen Eingliederung in das Herzogtum Mecklenburg wurde erst 1903 unterzeichnet. Die Herren vom Schützenverein Wismar Hanse 1990 tragen die dunkelblaue, historische Mecklenburgische Uniformjacken mit den hohen schwarzen Kopfbedeckungen. In der Galerie unten sind noch einmal ein paar Momente zu sehen, die ich vor dem ‚Alten Schweden‘ fotografieren konnte – zum Vergrössern bitte die kleinen Bilder anklicken:

 

Fotos vom Vormittag des 18. August 2018 in Wismar, Landkreis Nordwestmecklenburg, Mecklenburg-Vorpommern.

24 Gedanken zu “Wismar (10) – der Marktplatz, die Wasserkunst und das Schwedenfest

  1. Schön, umfangreich und Instruktiv!
    Der Begriff „alter Schwede“ wird in meinem Freundeskreis manchmal verwendet. Es ist eine gutmütige, zugewandte Beschreibung, so etwa wie „Alter Haudegen“, den ich manchmal bverwende, gerade bei Leuten, die sicher nicht zum Haudegen taugen.
    Ich verwende manchmal auch „Na, Junge!“. Das ist statthaft bei selbst 75-Jährigen, wenn sie etwas Jungenhaftes aufweisen.

    Deine Wismar-Darstellungen wären sicher für einen örtlichen Wismar-Führer gut zu gebrauchen!

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  2. Schon malerisch und doch frage ich mich …
    mag ich eigentlich dieses Erinnern, was so zuckersüß herüberkommt und doch von Zeiten von Herrschaft über des Einen über den Anderen spricht? Nicht wirklich mag ich Grenzen und Abgrenzungen –
    herzlichst, Ulli, die dennoch deine Bilder genossen hat

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    • Vielen Dank, Ulli, dass dir meine Bilder trotzdem gefallen, denn ich weiss, dass man es weniger leicht hat, sich als Mensch durch eine Welt zu bewegen, in der einem die menschengemachten Ungerechtigkeiten, Unzulänglichkeiten und Mängel unübersehbar sind.
      Zuckersüsses Pseudo-Erinnern ist einer dieser Mängel, eine Mischung aus anerzogenem Betrug und sehnlichst erwünschtem Selbstbetrug – leider eine unsterbliche Eigenschaft des Menschen, sich zu beidem zu eignen.

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