Ein Eierbecher aus Haldensleben – Übung Nr. 10

Eierbecher, liegend – Digital-Stift auf Tablet mit Fresh Paint; Übung Nr. 10

Ein einzelner Eierbecher ist heute Gegenstand meiner Zeichenübung Nr. 10, diesmal wieder mit Digitalstift auf dem Tablet mit dem Fresh Point-Programm.

Im Fuss des Eierbechers lässt sich eine hellbraune Marke erkennen: „VVB Haldensleben“ steht da, über einem quergestreiften wappenähnlichen Gebilde, um dessen U-Form sich untenherum das Wort „Haldensleben“ kurvt. Haldensleben ist eine Stadt im Landkreis Börde, in Sachsen-Anhalt, nahe Magdeburg.
Gekauft wurden mein Eierbecher und damals zugehörige Stücke in den späten 40er Jahren, bei Haushaltswaren-Goyer in Arendsee / Altmark, dem Heimatort meiner Mutter, von Haldensleben Luftlinie keine 70 km entfernt; er ist ein übriggebliebenes Stück aus dem allerfrühesten Hausstand meiner Eltern aus der Zeit, als die Verlobten, gerade ausgebildete Junglehrer, in verschiedenen Dörfern im Umkreis von Arendsee ein Zimmer über dem Schulzimmer einer Dorfschule bewohnten und sich gegenseitig mit dem Fahrrad besuchten.

Das kleine Stück Steingut-Keramik hat bald darauf wegen politischen Problemen, nämlich der Bekanntschaft mit einem, der in den Westen gewechselt war, seinerseits die Altmark verlassen und ist somit seit Beginn der 50er Jahre richtig weit herumgekommen: zuerst für einige Jahre an den Rhein, dann in die Lüneburger Heide und schliesslich wieder fast wieder zurück, nur 23 km vom Arendsee entfernt, ins Wendland.
Eine dazu passende kleine Servierplatte mit geschwungener Blütenranke gibt es auch noch, auf der in meiner Kindheit zum Abendbrot die Wurst auf den Tisch kam. Soweit ich mich erinnere, gab es nie mehr als zwei Eierbecher. Als ich noch klein war, durfte ich einen davon beim Malen mit Wasserfarben als Wassernäpfchen benutzen.

Ursprünglich war die Keramikfabrik in Haldensleben die Gründung einer dort alteingesessenen Familie namens Uffrecht im 19. Jh., aber durch die Wirtschaftslage wurde der Familienbetrieb in den 20er Jahren unter dem Namen „Carstens-Uffrecht“ Teil der Carstens-Gruppe, bis dann 1948 der Name durch Überführungs in das Volkseigentum der SBZ verschwand – VVB bedeutet „Vereinigung Volkseigener Betriebe“ ab 1948 – und später als „VEB Haldensleben“ in der DDR noch erfolgreich weiterbestand. Das Zierkeramikwerk Haldensleben gibt es inzwischen nicht mehr, es hat die Wende nicht überlebt. Der kleine Eierbecher vegetiert nicht etwa im dunklen Küchenschrank dahin, sondern steht auf seiner Platte schön beleuchtet hinter Glas neben anderen geliebten Keramikgegenständen im Wohnzimmer, und darum fiel auch mein Blick auf ihn, als ich mein Objekt Nr. 10 suchte.

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8 Gedanken zu “Ein Eierbecher aus Haldensleben – Übung Nr. 10

  1. Wie schön, dass du deine Skizzen mit der Geschichte deiner Objekte verbindest! Solche Gegenstände sich ja oft gesättigt von Erinnerungen. Und nun gar ein so alter aus der ersten Zeit deiner Eltern!

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  2. Ich mag diese alten Steingutsachen. Für bestimmte Generationen sicherlich altmodisches Zeugs, für mich gerade alt genug, um sie wieder richtig schön zu finden. Manches Porzellan finde ich direkt langweilig dagegen. Ich mag diese schlichte, fast einfache Gestaltung. Hat sie doch was herzerfrischendes 🙂

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  3. Haldensleben. War mir bisher nicht bekannt.
    Römhild, ebenfalls in der ehemaligen DDR, hatte ich mit meiner Partnerin einst besucht.
    Es gab dort zu DDR-Zeiten einmal im Jahr mehrwöchige Zusammenkünfte/Symposien von vielleicht 25 eingeladenen Töpfern (aus dem Osten). Die dabei entstandenen Werke blieben vor Ort. Ich konnte die eingelagerten Stücke auf einem Speicher einsehen.
    Jetzt will man das Ganze wiederbeleben und hat es vielleicht auch schon getan. Natürlich nicht mit 25-30 Töpfern, sondern vielleicht einem Drittel.

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    • Die industrielle Keramikherstellung war in den Regionen, die später zur ehemaligen DDR gehörten, schon vorher bedeutend, und das alles war während der Zeit der deutschen Teilung nur in Westdeutschland weniger präsent, denn es wurde vorwiegend in die „befreundeten sozialistischen Länder“ exportiert . Über Kunsthandwerkliches zu DDR-Zeiten weiss ich nichts ausser, dass die Bürgler Keramik die Zeiten überstanden hat.

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