Hurra, es gibt eine neue > Schreibeinladung, ausgehend von Christianes Blog Irgendwas ist immer für die Textwochen 08.09.20 mit der Wortspende von René, dem BerlinAutor. Seine Begriffe lauten:
Schabernack – breit – erheben.
Die drei Worte müssen in einem Text von bis zu 300 Worten zur Anwendung kommen, Erklärungen und Überschrift dürfen ausgeklammert bleiben. Unter meiner 7. Etüde des Jahres 2020, in der ich von einem verstaubten Theaterstück und seinem Autor erzähle, gibt es nicht mitgezählte, weiterführende Links zur Information, die nur zitierte „Übersetzung“ des in Fraktur gedruckten Textes zähle ich allerdings mit.
Kleiner Schabernack Babette
Die naseweise zehnjährige Babette wurde vor rund 230 Jahren von ihrem geistigen Vater, Johann Friedrich Jünger, einem deutschen Theaterdichter in Wien, im Stück „Der Krug Geht So Lange zu Wasser, bis Er Bricht“ auf die Bühne geschickt, einem Lustspiel in drei Aufzügen. Der Ausschnitt einer Seite aus einem Band mit Lustspielen Johann Friedrich Jüngers „Für die k. k. Hoftheater“ aus dem Hause J.B. Wallishausser, 1803, Wien, zeigt einen Schnippsel aus dem Zehnten Auftritt:
Zehnter Auftritt.
Die Vorigen, ohne Fischer
- Fr. v. Dießd.: Ein recht artiger Mann, der Sekretär.
- Babette: O ja Mama, das weiß Lottchen recht gut!
- Fr. v. Dießd.: Du kleiner Schabernack! Gieb Achtung, du wirst Lottchen noch böse machen.
- Babette: Was mach ich mir daraus! Ihr Herzblatt bin ich ohnedem nicht, das weiß ich! Jetzt will ich wieder zur Schwester gehn. Sie komm doch bald nach, Mama? (sie küßt ihrer Mutter die Hand; dann leise zu Lottchen, indem sie an ihr vorbey geht) Warte nur, du sollst mich schon noch desser kennen lernen. (ab.)
Weil die breite Bühne des Nationaltheaters es erlaubte, bestand das von Jünger gewünschte Bühnenbild aus zwei nebeneinander liegenden Räumen. So konnte das Publikum das Intrigenspiel der Personen gleichzeitig beobachten und sich durch sein Mehr-Wissen über die Dargestellten erheben und belustigen.
Johann Friedrich Jünger, geboren am 15. Februar 1756 in Leipzig, lernte dort u.a. Schiller kennen, war aber selbst als Schriftsteller noch unbekannt. Ab 1787 hoffte er als Theaterdichter in Wien auf den Durchbruch und wurde 1789 zum ersten besoldete Hoftheaterdichter am Nationaltheater, wo sogar für eines seiner Stücke eine kleine Klavierkomposition von W.A. Mozart erbeten wurde. Seine Stücke waren beliebt und erfolgreich, bis 1794 Theater-Direktor Brockmann abgesetzt wurde, was Jüngers Entlassung nach sich zog. Als freier Schriftsteller geriet er in ärmliche Verhältnisse und verstarb, gerade 41-jährig, am 25. Februar 1797, an einem Nervenfieber.
300 Worte
> Johann Friedrich Jünger | Wikipedia.
> Dexter Edge, Michael Lorenz: „An Unknown Incident in Mozart’s Life in 1791“, Ypsilanti, Wien, 2017
Das ganze Stück zu lesen ist unterhaltsam, und wer mag, findet es online auf der Webseite > Hathitrust.org, auch zum Herunterladen als PDF. Zu Beginn findet sich auch die Vorschreibung für das o.g. Bühnenbild, und dass „Fr. v. Dießd.“ ausgeschrieben Frau von Dießdorf heisst.
Ui, schön, wieder mal eine Sachetüde. Danke, ich gestehe, ich habe bisher weder von Dichter noch Stück jemals gehört. Liest sich, als sei Zickenkrieg unter Schwestern auch schon vor ein paar Jahrhunderten ein Thema gewesen 😉
Vielen Dank! Etüden bilden, ich hab es doch schon immer gewusst!
Liebe Grüße zur stürmischen Nacht
Christiane 😀
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Vielen Dank, Christiane! Als kulturelle Miniatur ist es interessant, einer Persönlichkeit aus dem Kreis der Unbekannten nachzuspüren.
Hier hat es gerade ordentlich gestürmt und gebraust, ich hoffe, das ist vorbei, bevor morgen früh der Azubi-Sohn wieder zur Arbeit autofahren muss.
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Hier (Hamburg-Süd) ist der Sturm scheinbar durch, es regnet mehr oder weniger, aber nicht so schlimm, dass es den Fellträger im Haus hielte, und ist ziemlich runtergekühlt. Ich denke mal, dass das Sturmtief hier recht schmal war. Dir/euch Gutes!
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Wir sind ja doch schon sehr viel weiter östlich, das sollte laut Vorhersage glimpflich abgehen.
Hab noch einen schönen Abend und eine gute Nacht!
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Bloggen bildet – sag ich immer wieder!
Eine Etüde, die ich sehr gern gelesen habe!
LG Anna-Lena
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Ach, das freut mich sehr, dass gleich eine zweite so positive Meldung kommt 🙂
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🙂 Ehre, wem Ehre gebührt … 😉 .
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🙂
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Gern gelesen, ein kleiner Einblick in theatergeschichte.😀
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Danke, Gerhard, schön, dass es auch dir gefällt.
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Was du alles schaffst, in Etüden umzusetzen, Respekt! Sehr interessant 👌
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Danke! Ich bin sehr froh darüber, dass auch Sachbezogenes etüdentauglich ist; mein persönlicher Erlebnisfaktor ist durch die Recherche und die Herausforderung, daraus eine der Aufgabe entsprechende Miniatur zu formen sogar einen Tick grösser, ausser, die gegebenen Worte hätten mich emotional angesprochen. So ist es die Geschichte des für seinen Traum von schriftstellerischem Ruhm sich im Unterhaltungsbetrieb abstrampelnden Joh. Friedr. Jünger, die mich berührt hat.
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Dass man das Wort Schabernack auch als Titulierung benutzen kann im Sinne von Narr oder Einfaltspinsel (oder früher benutzte) ist mir vollkommen neu. Eine sehr gut gemachte Sachetüde!
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Es ist wohl aus der Mode gekommen. Danke, Werner!
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und lesen kann ich diese alte schrift natürlich auch ❤️
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Fein. 🙂 Es ist schade, dass so viele die alten Druck- und Handschriften nicht mehr lernen. Ich fürchte, inzwischen landen viele interessante Dinge deshalb auf dem Müll. Als ich in der Grundschule war, gehörte Sütterlin und Fraktur bei uns sogar noch zum Lehrplan, weil sonst viele die Briefe ihrer Grosseltern nicht hätten lesen können, und das Kirchengesangbuch auch nicht.
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ich habs auch von meiner mutter gelernt …
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Bühne mit paralleler Handlung im 18. Jht. ! Davon hatte ich noch nie gehört. Sehr bildende Etüde!
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Vielen Dank!
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