Zur Schreibeinladung für die Textwochen 43.44.20 | Wortspende von Mutiger leben | Irgendwas ist immer ausgehend von Christiane gibt es eine Wortspende von Judith (Blog ‚Mutiger leben‘), die es trotz ihrer Gefälligkeit der Wortwahl nicht leicht gerade macht: Schmutzfink, fabelhaft, mopsen. 3 Begriffe sind in maximal 300 Wörtern zu verwenden, wobei Hinweise und Überschrift nicht zum Text zählen.
Ich glaubte, ich hätte gleich zu Beginn dieser Etüdenrunde mit meinem Jandl-inspirierten Mopsgedicht > vom 19. Oktober all mein Einfallspulver verschossen, wollte keine weitere Mopsgeschichte, keine niedlichen, glücklich-schmutzigen Kindermatschereien und auch keine Vogelbeobachtungen beschreiben. Gleichzeitig ärgerte ich mich jedoch, weil Worte von solcher geläufigen Harmlosigkeit mir mehr ablehnendes Kopfzerbrechen bereiteten, als die sperrigen Wortspenden früherer Etüden, wie „Katamaran“, „haschen“ oder „engelhaft“. Ausserdem finde ich das Verunglimpfen von Tieren, um menschliches Verhalten zu beschreiben immer sehr ungerecht – für die Tiere – und so kam es zu meiner zweiten ABC-Etüde zur obenstehenden Aufgabenstellung:
Keine Dreckspatzen!
Vor beinahe fünfzig Jahren, 1971, gab es eine gegen die wilde Vermüllung der Landschaft ausgerichtete Kampagne unter dem Slogan „Sei kein Dreckspatz!“, ins Leben gerufen von einer „Aktion saubere Landschaft e.V.“.
Den grünen runden Sticker mit einem im Dreck badenden Spatzen in Schwarz und Weiss sah man noch Jahrzehnte später an Fahrzeugen und Strassenlaternen kleben. Weil aber seither so viele Gemeinden und Vereine das fabelhafte Motto für ihre Müllsammelaktionen gemopst haben, erhält man bei einer Websuche Tausende von Ergebnissen, nur nichts Genaueres über Urheberschaft und Anlass.
Gerade im vom Corona-Virus geprägten Jahr 2020 scheinen alle Kampagnen vergessen. Es ist unfassbar, mit welcher Gedankenlosigkeit, Unverfrorenheit oder gar unverschämtem Anspruchsdenken sich die Menschen der Wegwerfgesellschaft verhalten. Gerade wo es in Deutschland zum Hinfahren schön ist, wurde in diesem Sommer die Landschaft entlang von Wander- und Radwegen durch die Natur mit Verpackungsmüll, Windeln und Wegwerfmasken verschandelt, weil gerade kein Papierkorb bei Fuss und zur Stelle war.
Diese Erscheinung bringt beschämend an den Tag, wie sich Menschen in nicht reisebeschränkten Jahren als Gäste aufführen, als wäre ein wesentlicher Inhalt des Verreisens, anderswo mal die Sau rauszulassen – wobei es sich, genau wie bei Dreckspatzen und Schmutzfinken, um einen unpassenden Vergleich handelt.
Spatzen baden, wenn sie die Möglichkeit haben, am liebsten in frischem, klarem Wasser. Bei den gusseisernen Vogeltränken im Garten warten sie gern ab, bis ich mit meinem Eimer voll frischem Wasser die Runde gemacht habe, um alle Hinterlassenschaften auszuleeren und wieder neu aufzufüllen.
Die ebenfalls zu den Sperlingsvögeln gehörenden Finken nehmen, wie Haus- und Feldsperlinge, zwar gern Staubbäder in trockenem, feinkörnigem Erdboden, aber dennoch dient dies wirksam der Gefiederreinigung und dem Entfernen von Parasiten.
Seit 1971 hat sich leider nichts geändert, nur Menschen in Umweltbelangen mit Ausdrücken wie „Dreckspatz“, „Schmierfink“ oder „Schmutzfink“ zu bezeichnen, spottet jeder Beschreibung. Nichts daran ist niedlich, geschweige denn verzeihlich.
300 Wörter
Bei mir vor dem Fenster baden oft Meisen. Kohl- und Blaumeisen, ab und an Amseln, zurzeit ist ein Rotkehlchen öfter da. Ein Mönchsgrasmückenpärchen habe ich auch gesehen. Und ein Zaunkönig vorhin erst, so schön, so winzig! Für alles, was größer ist, ist meine Badestelle zu klein, aber das ist auch ganz okay so, schließlich möchte ich nicht für den Herrn Fellträger Katzenkino machen – auch wenn er sich dann reinflüchtet, wenn er anhaltend von den Vögeln beschimpft wird.
Außer dass Schmutzfink ein altes Wort (belegt seit Mitte des 16. Jahrhunderts) ist, weiß ich nichts darüber: Ich habe nie sich schmutzig machende Vögel erlebt, es sei denn auf Futtersuche. Aber Schweine haben vermutlich dasselbe Problem. 😉
Herzliche Grüße und danke! 😀
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Das ist aber eine schöne Badegästeliste!
Wer weiss, ob das -fink im Schmutzfink damals überhaupt den Vogel meinte? Wortähnlichkeiten haben ja oft zu Umdeutungen geführt.
Dass ein sich im Freien grosszügig bewegendes Schwein gern mal in den Modder wirft und den antrocken lässt, bis er abfällt, hat auch einen Reinlichkeitsaspekt, weil daran unerwünschte Insekten hängenbleiben.
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Ich habe Wikipedia angeschmissen, und die sagen, dass diese Finken Pferdeäpfel angepickt haben. Also, ja, es waren Vögel.
Ich weiß das mit den Schweinen, es ist ein Verbrechen, wie die industriell gehalten werden. Elefanten bewerfen sich ja selbst auch mit Staub gegen Insekten.
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Insektenfresser sind pragmatisch.
Hatte man bei der Nutztierhaltung vor 40 Jahren noch gedacht, es sei nicht schön, hat sich das tatsächlich noch um ein Vielfaches ins Widerwärtige steigern lassen.
Das Elefantenbeispiel ist auch super.
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Vielen Dank, das ist fein, dass du dich doch noch an eine gewagt hast – und der Unterschied könnte nicht größer sein zwischen den beiden Etüden. Gerade das finde ich spannend.
Woher der Begriff Schmutzfink (mit)kommt, das habe ich mir – im Zug dieser Runde – angelesen. Auch ich hatte zunächst eine Sachetüde geplant, aber sie wollte einfach nicht so, wie ich es wollte.
Liebe Grüße zu dir
Judith
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Danke, Judith. Die Herausforderung deiner Wortspende ist unvermutet hoch und je mehr Etüdenmeldungen bei Christiane hereingelaufen sind, desto mehr stieg sie.
Ich finde es auch schwieriger, Ernsthaftes auf 300 Worten zu verknappen, als spielerisch lustig zu sein.
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Stimmt.
Liebe Grüße
Judith
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Wäre das ein Hinweis zum Ursprung der Aktion Saubere Landschaft?
https://www.bmu.de/pressemitteilung/startschuss-fuer-aktion-saubere-landschaft/
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Und gleich auch eine Beschwerde dazu:
https://deutschegetraenkewirtschaft.de/1998/aktion-saubere-landschaft-mogelpackung/
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Ja, so sind sie.
Das moderne Pendant dazu ist ALDIs Abrücken vom Flaschenrücknahme-Pfandsystem, und dazu kann man nur „Pfui!“ sagen.
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Leider nicht, Werner, Mit dem Datum vom 31.03.1998 ist die Pressemitteilung 23/98 um ein Vierteljahrhundert zu jung, die erste Dreckspatz-Aktion startete 1971, in meiner Kindheit. Aber dieser Link ist ein gutes Beispiel dafür, dass man vor lauter jüngeren Verlautbarungen mit ähnlichen Wortlauten nicht mehr bis zur Quelle von 1971 vordringen kann. Und dass es anscheinend überhaupt nichts nützt.
Auf Ebay kann man über die Bildersuche derzeit noch so einen Dreckspatz-Aufkleber zum Ansehen finden, aber Infos auch nicht.
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Sehr schön. Endlich habe ich was neues dazu gelernt.
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Dankeschön!
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