Gisbert traut sich etwas – zur Schreibeinladung für die Textwoche 22.21 | Extraetüden

2021-05-30 ABC-Etüden Extra-Etüden 22.2021 5 in 500Weil der Mai 2021 fünf Sonntage hat, rief Christiane mit einer > Schreibeinladung für die Textwoche 22.21 zu Extraetüden auf.
Dazu gelten die 6 Begriffe des Monats Mai, von denen man aber nur 5 auszusuchen braucht, um sie in einen Text mit höchstens 500 Wörtern einzubinden.
Die Mai-Wörter spendeten Nina ‚Das Bodenlosz-Archiv‘ und Bernd ‚Red Skies Over Paradise‘:
Korsett, rechtsdrehend, dampfen
Baracke, lau, widerfahren.

Inhaltshinweise und die Überschrift zählen, wie immer und zum Glück, nicht zum Text.
Für die Extraetüden gab es nur eine Woche Zeit und heute ist der letzte Tag.
Obwohl draussen der Sommer lockt, habe ich die Kurve noch bekommen und auf einen gewissen Wunsch hin wieder einmal > Gisbert aktiviert, der zuletzt in der Lüneburger Heide im Wohnmobil Spiegelleier gebraten hat.

Gisbert traut sich etwas

Anfangs war Gisbert froh, nur so wenig Kontakte zu anderen, fremden Leuten zu haben wie möglich.
Er beobachtete argwöhnisch die Nachrichtenmeldungen, aber es wurde über kein aus dem Wasser geborgenes Autowrack mit Leichenfund berichtet und was seiner Frau widerfahren war, blieb weiterhin unentdeckt.

Inzwischen dachte er nur noch mit lauem Bedauern an den schicksalhaften Tag zurück, an dem er sich aus dem einengenden Korsett ihrer Anweisungen und Vorwürfe befreite.
Als sie wieder nörgelte und unnachgiebig an ihm herumzupfte, hatte er sie impulsiv von sich gestossen, so dass sie rechtsdrehend auf die Ecke ihrer geliebten, antiken Kommode mit Marmorplatte und Spiegel stürzte und sich das Genick brach.

Als wollte sie ihm noch im Abgang die Lebenfreude nehmen, und ihn von ihrem Vorschriftengefängnis direkt hinter die Gitter der Justiz überstellen, dachte Gisbert.

Schwitzend und dampfend vor Angst, entdeckt zu werden, hatte er sie daher nachts in den Keller gebracht und in der Gefriertruhe zwischengelagert, bis ihm per Geistesblitz der schwere, alte Volvo-Kombi von Tante Elvira einfiel, der seitdem tief unten in einem Flussbett lag und mitsamt Cordula hoffentlich für immer im Schlamm versank.

Gisbert fühlte sich in seinem improvisierten Nomadentum im Wohnmobil so wohl, wie lange nicht in seinem Leben. Allerdings empfand er nach einigen Monaten sein Umherfahren „immer der Nase nach“ als weniger spannend, als zu Beginn seiner neugewonnen Freiheit.
Nun achtete er wieder mehr auf seine Umgebung, statt sich immer nur um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern und so kam es, dass er neuerdings eine Begleiterin hatte.

Ob sie Irina oder doch ganz anders hiess, interessierte ihn nicht. Er hatte nur Mitleid, als er sie an der Bundesstrasse mitten im Wald aufgelesen hat, unweit von ihrem „Lovemobil“ , wo sie es zwischen Ausbeutung und Misshandlungen nicht mehr länger aushielt.
Irinas Welt war ihm fremd, aber für Panik hatte Gisbert Verständnis. Daher bot er ihr bis auf Weiteres seine Hilfe an und brachte sie in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses.

Dort füllte er das Aufnahmeformular für „seine Frau“ aus, weil ihre Hände zu sehr zitterten. Sollte sich doch die verblichene Cordula wenigstens mit ihrem Namen als hilfreich erweisen!
Selbstverständlich wartete er das Ende der Wundversorgung ab, nahm die Patientin in Empfang und geleitete sie hinaus.

Sie bestiegen das Wohnmobil, und Irina zog sich in den nicht einsehbaren Teil zurück, wo man sie von aussen nicht sehen konnte. So rollten sie vom Krankenhaus-Parkplatz, während Irina sich wortreich bedankte, bevor sie gestand, dass sie nicht wusste, wohin.
Dabei war es ihr gleich, ob in einem Fahrzeug, einer Baracke oder sonstwo, solange es nicht unter freiem Himmel war. Sie wünschte sich nur ein sicheres Dach über dem Kopf, wo sie wenigstens einmal ungestört und angstfrei schlafen konnte. Und ja, sie vertraute Gisbert.

Für diesen war klar, dass sie sich wohl besser einige Hundert Kilometer aus dieser Gegend entfernen sollten, und schlug den Weg zur nächsten Autobahn ein. Erstmal unterwegs, hatten sie genügend Zeit, um aus einer spontanen Notfall-Handlung einen vernünftigen Plan zu entwickeln – wobei Gisbert sich weitab von vernünftig, aber sehr abenteuerlustig fühlte.

 

Es sind 500 Wörter mit – was soll der Geiz? – allen 6 Wortspenden darin.

 

11 Gedanken zu “Gisbert traut sich etwas – zur Schreibeinladung für die Textwoche 22.21 | Extraetüden

  1. Die Leserin mit dem „gewissen Wunsch“ dankt. 🙂
    Gisbert?!?!? Du hast recht, der traut sich was. Nur nach Hause wird er Irina wohl kaum mitnehmen können, aber hui, DAS hätte ich ihm nicht zugetraut. Danke auch für den Nachtrag, wie seine Cordula zu Tode gekommen ist, ich hatte nicht unbedingt auf einen Unfall getippt gehabt 😉
    Na, damit hast du jedenfalls allen möglichen Abenteuern Tor und Tür geöffnet, auch der Überlegung, ob wer auch immer das einfach so geschehen lässt, dass sich eine Einnahmequelle entfernt. Spannend! 😀
    Nachmittagskaffeegrüße unter trübem Himmel und vielen Dank für die Einreichung 😀

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    • Nur zu gern geschehen! 🙂
      Ein Mörder ist er nicht, der Gisbert, aber anscheinend ein begabter Verschwindenlasser, und vielleicht klappt es ja auch bei Irina. Ich habe da so gewisse Pläne … wenn es mal wieder worttechnisch passt.
      Nachmittagskaffee ist gerade passé, trüber Himmel dagegen bleibt, was aber nach der ungewohnten Hitze und Sonne bis zum frühen Nachmittag nun von mir aus gern in Regen übergehen darf. Ich wäre sowieso für regelmässigen Nachtregen.

      Gefällt 2 Personen

  2. Seltsam, seltsam, diese Irina wird ihm doch hoffentlich nicht die Leviten lesen, nachdem sie merkt, wie er gestrickt ist.
    Keiner weiss, wie es lang geht, hoffentlich mit love im mobil. 😀

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