Christiane hat mit ihrer > Schreibeinladung für die Textwochen 36.37.21 die neue ABC-Etüden-Saison eröffnet, mit einer Wortspende vom Etüdenerfinder Ludwig Zeidler: Schlick, ominös, putzen, 3 Begriffe, die in maximal 300 Wörtern verpackt werden sollen, zu denen aber Inhaltshinweise und die Überschrift nicht dazuzählen. Als „Denkzettel“ verwende ich gern wieder eines der von Christiane gestalteten, anregenden Etüden-Bilder.
Fast wie im Krimi
Simone befand sich stets im Dilemma zwischen Langeweile und Schrecken, wenn sie auf dem Beifahrersitz den Fahrkünsten ihres Ehemannes auf der Fahrtstrecke zwischen Salzgitter und der Nordseeküste ausgeliefert war. Ihn trieb es, dort jedem Verkehrsteilnehmer zu beweisen, dass er als Alphatier am Steuer die Überholspur nicht nur beanspruchte, sondern sich darauf auch zu behaupten vermochte. Er putzte sie alle weg, die er dabei hämisch als Schnecken und lahme Enten, Reisschüsselrutscher und Sonntagsfahrer verhöhnte. Dabei fuhren sie doch miteinander in ein entspanntes Wochenende!
Simone zwang sich, an etwas anderes zu denken, als an die unerfreuliche Gegenwart, indem sie über den Fernsehkrimi vom Vorabend nachsann. Eigentlich mochte sie solche Geschichten in idyllischer Umgebung voller klischeetypischer „Originale“, in denen sich plötzlich ominöse Abgründe auftaten, in die arglose Personen hineingerieten, die sich vor den Augen der Fernsehzuschauer ahnungslos und wie im Nebel durch den zähen Schlick uralter, friesischer Familienfehden und dunkler Geschäfte gieriger Investoren tasten mussten.
Auf dem Fahrersitz verfluchte Stefan mit ausfälligen Worten den Fahrer eines plötzlich zum Überholen eines LKWs ausscherenden Reisebusses. Schnell flüchtete sich Simone wieder in ihre Überlegungen zu lokalen Krimiserien, stellte sich vor, sie selbst sei als Entführungsopfer mittendrin …
Einige Tage später gab sie im Krankenhaus nach Wiedererlangen ihres Bewusstseins zu Protokoll, sie habe von dem Unfallhergang nichts mitbekommen. Die Überwachungselektronik neben ihrem Bett bezeugte ihre starke Gemütsbewegung, als man ihr mitteilte, ihr Mann sei den Verletzungen erlegen. Beim Erstellen einer Liste der Gepäckstücke im zerstörten Auto entsann sie sich des Aktenkoffers im Bodenfach, mit dessen Inhalt der Kauf eines Ferienhauses auf Sylt in angezahlt werden sollte. Man versprach, Sorge zu tragen, dass er gefunden würde und wünschte gute Genesung.
Es war vorbei. Nie mehr würden sie gemeinsam die Nordseeküste besuchen. Simone hoffte, ihr Aufatmen ging als trauriger Seufzer durch. Unvorstellbar, wäre der Koffer in der Schrottpresse gelandet!
(300 Wörter)
Oh ja, sehr schön. Und da der Beitrag auf 300 Wörter beschränkt wurde, wird man also wohl nie erfahren, wie es mit Simone weitergangen ist. Wird sie das Ferienhaus noch beziehen können? Oder war alles nur ein schlimmer Traum und Stefan hat den Unfall überstanden, weil es im Grunde gar keinen Unfall gab. Letztlich stellte sich heraus, dass alles nur ein Traum war?
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Danke, da bietest du eine gute Variante an, Claus!
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Mir ist der Typ so zuwider, dass das sogar auf sie abfärbt, die Ärmste, wo sie doch jetzt so traurig ist über den schweren Verlust … oder was war das für eine Gemütsbewegung? 🤔 Der Koffer ist ihr ja erst später eingefallen … 😏
Boah, furchtbar! 😁Also nicht die Etüde … 😉
Danke dir!
Abendgrüße 😁🌧️🥘🥛👍
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Mein Mitgefühl hat sie. Wie Zweitesselbst andeutete, kann man ja auf vielerlei Weise verwirrt sein, in diesem furchtbaren Zustand. Danke, Christiane! 😁
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Das Geld in der Schrottpresse oder in der Asservatenkammer: das musste ja wirklich nicht sein.
Vielleicht ist das Auto – wie so oft heute – gar nicht auf Rädern, sondern auf Wechseln gefahren?
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Auch das ist denkbar und ich wette, Simone hat es nicht gewusst.
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