Wackelpeter – ABC-Etüde zur Schreibeinladung TW 03.04.22

Christiane hat auf ihrem Blog ‚Irgendwas ist immer‘ wieder eine neue > Schreibeinladung für die Textwochen 03.04.22 ausgeschrieben. Die Wortspende dazu kommt von Tanja mit ihrem Blog ‚Stachelbeermond‘ und sie lautet:

Wackelpudding, unverdrossen, knistern

Regelgemäss sind die gegebenen 3 Begriffe in maximal 300 Wörtern zu verwenden, wobei erklärende Hinweise zum Inhalts sowie die Überschrift nicht zum eigentlichen Etüden-Text hinzugezählt zu werden brauchen.

An Wackelpudding hängen nette und persönliche Erinnerungen. Aus lauter Trotz habe ich mir allerdings zuerst unpersönlich-fiktive „Knie wie Wackelpudding“ oder auch in diesem Sinne bibbernde Herzen zu beschreiben vorgenommen, bin aber damit zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen. Es wollte wohl nicht anders gelingen, weil ich mich gerade mit dem Sortieren alter Fotos beschäftige. Davon zeige ich euch eines, denn es steht tatsächlich in einem passenden Zusammenhang mit dem Wackelpudding-Thema:

2022-01-18 f. ABC-Etüden TW 03.04.22 1962 HEIDE Schlagsahne 600x450 Wackelpudding + unverdrossen + knistern

Wackelpeter

Ganz gleich, ob es sich um kirschroten, waldmeistergrünen oder zitronengelben Wackelpudding handelte, als Götterspeise geläufig und weiter östlich auch als Zitterpudding bekannt: bei uns hiess er früher „Wackelpeter“.

Der bunte und durchsichtige Glibber war ein ganz besonderer Kindheitsbegleiter, als Instant-Puddingpulver oder gar Fertigpudding im Plastikbecher aus der Supermarktkühlung noch unbekannt waren und Pudding-Exemplare Stunden vor der Mahlzeit gekocht werden und auskühlen mussten.

Unsere Eltern bevorzugten Milchpuddinge mit Vanille-, Nuss-, Griess- oder Schokoladengeschmack, daher blieb Wackelpudding dem Geburtstagsmittagessen und dem Kindergeburtstagsfest von uns beiden Kindern vorbehalten. Also gab es nur zweimal im Jahr zuhause Wackelpudding, aber dann am liebsten mit Schlagsahne.

Das Foto aus dem Familienalbum mit mir und dem Handteil des „Rührfix“ meiner Mutter enstand in Vorbereitung des Geburtstagsessens für meinen älteren Bruder, der schon in die 1. Klasse ging. Die süsse Schlagsahne, deren Reste ich abschlecken durfte, sollte es gewiss zu grünem Wackelpudding geben. War mein Geburtstag an der Reihe, wollte ich stets die rote Variante.

Wurden Kindergeburtstage mit Freunden gefeiert, haben wir zwischen „Topfschlagen“ und „Armer-schwarzer-Kater“ unglaublich viel gegessen. Nach dem Geschenke-Auspacken gab es Kuchen, dann wurde gespielt bis zum Puddingessen. Danach ging das Spiel weiter, drinnen oder draussen, bis zum Abschluss beim Abendessen mit Eierbroten oder Würstchen noch einmal unverdrossen reingehauen wurde. Kuchen und Abendessen variierten nach verschiedenen Vorlieben, aber Wackelpeter musste sein!

Nie vergesse ich, wie ich meinen ersten Wackelpudding selbst kochte: Beim Abgiessen aus dem Kochtopf in die von mir gewählte Schüssel knisterte es zuerst, dann knackte das Glas und gleich darauf ergoss sich die rote Flüssigkeit über Tisch und Küchenboden. Ich hatte den hitzeableitenden Löffel vergessen. Das passiert mir nie wieder, da können noch so viele Menschen die Augen verdrehen und klugschnacken, dass so etwas bei den modernen Glasschüsseln nicht mehr nötig sei. Ein Gegenbeweisversuch würde mir nur gefallen, wenn ihn ein anderer erbringt!

(300 Wörter)

28 Gedanken zu “Wackelpeter – ABC-Etüde zur Schreibeinladung TW 03.04.22

  1. Bei uns hieß diese Süßspeise auch immer Wackelpeter und ich liebte es den glibbrigen Wackelpeter zwischen den Zähnen durchzudrücken. 😄
    Ein sehr süßes Bild!
    Liebe Grüße und hab noch einen schönen Abend 🌠🍀

    Gefällt 2 Personen

    • Ja, das ist so, unerreicht, zumindest für die Kinder aus den 60ern und 70ern, bevor die Eiscreme auch zuhause selbstverständlich wurde und sie nicht erst in der Eisdiele geholt werden musste. Vanillesauce ist allerdings nicht meins.

      Gefällt 2 Personen

  2. Wie schön, dass du doch deine Erinnerungen mit uns teilen magst 😁
    Ich bin scheinbar eines der wenigen Kinder, das weitgehend ohne Wackelpudding aufgewachsen ist, ich überlege die ganze Zeit schon. Mochte ich ihn nicht? Mochten meine Eltern ihn nicht? Wir mochten Milchpuddinge … keine Ahnung.
    Aber deine Geschichte mag ich sehr, wie immer ist es schön, in eine Vergangenheit zu reisen, wo Süßspeisen noch nicht so selbstverständlich waren und ich zum Geburtstag eine Flasche Cola (Coca!) geschenkt bekam, denn Kinder dürfen keine Cola! 😁
    Nachtgrüße 😁✨☁️🍷🍪👍

    Gefällt 1 Person

    • Als gesund galt Wackelpudding ja auch nie, vielleicht war er deshalb eher eine Ausnahme für besondere Gelegenheiten? Meine Kinder mochten ihn auch eher nur wegen des spielerischen Aspekts – Werner spielt ja auch immernoch damit 🙂 Heute habe ich nur alle paar Jahre mal im Sommer eine Anwandlung.
      Cola gab es bei uns zuhause auch nicht. Das erlaubte sich mein Vater nur auf langen Autofahrten, sonst keinem. Klar, dass Cola auf Klassenfesten und erste Teenieparties DAS Getränk war, aber später nie mehr mein Lieblingsgetränk, nur zusammen mit Salzstangen die Allzweckwaffe bei „Magendarmdings“.

      Gefällt 1 Person

  3. Wackelpudding kenne ich, nur nicht aus meiner Kindheit und Geburtstage wurden auch nicht gefeiert, nur ein wenig mit den drei Geschwistern. Wenn man Glück hatte, dann kam die Oma und brachte auch mal ein Geschenk, was sehr selten vorkam. Bei meinem Mann war es genau so.
    Meine Kinder bekamen Wackelpudding, auch Geburtstagsfeiern und Geschenke. Nur, der Wackelpudding war nicht so begehrt, eher ein Eis und so ist es heute auch noch.
    Übrigens erinnert mich dein Haarschnitt an den meinigen und den meiner Schwestern, möglichst mit Pony…

    Gefällt 1 Person

    • Ja, das war damals offenbar ein typischer Kinderhaarschnitt bei Mädchen. Kurz vorher hatte ich noch Zöpfe.
      Solche Geburtstagsfeste, wie ich sie beschrieben habe, gab es bei uns auch erst ab der Einschulung, vorher gar nicht. Geburtstags-Besuch von der Verwandschaft gab es für uns Kinder nie. Die wohnten zu weit weg oder gar unerreichbar, hinter der DDR-Grenze. Es gab aber von einigen bunte Postkarten, immerhin.
      Wie oben schon mal geschrieben gab es ausser direkt von Eisdiele oder Kiosk nie Eis. In meiner Kindheit gab es kein Gefrierfach, ausser das kleine Eiswürfelfach im Kühlschrank, und eingekauft wurde zu Fuss, das Auto nur für „richtige“ Fahrten verwendet, da war es unmöglich, Eis nach Hause zu schaffen.

      Gefällt 1 Person

  4. Bei uns fuhr jeden Sonntag ein alter und lustiger Eisverkäufer mit einem Moped und kleinem Eiswagenanhänger durch die Straßen. Wir durften uns dann für einen Groschen eine Kugel Eis in der Waffel kaufen. Der Sonntag war das Highlight 😊
    Ein Auto hatten meine Eltern nie, alles wurde mit dem Fahrrad erledigt, sogar weite Strecken um Heidelbeeren zu pflücken.

    Like

    • Daran erinnere ich mich nicht. Es gab, wie ich meine, zwei Cafés, und ab Mitte der 60er Jahre eine Eisdiele, bei denen man Speiseeis holen, aber nicht heil bis zu uns nachhause bringen konnte. Meine Eltern hatten aus sinnvollen Gründen relativ früh ein kleines Auto, aber es wurde nie „unnötig“ benutzt.

      Gefällt 1 Person

      • Den lustigen Eisverkäufer gab es auch nur bei uns. Er kam immer aus der nahegelegenen Stadt, bimmelte mit einer Handbimmel und jeder wusste, dass er nun da ist.
        Eine kleine Eisdiele hatten wir auch in der Stadt, aber es war zu teuer und erst als Teenager mit selbstverdientem Taschengeld gingen wir dann Eis essen. Heute mag ich übrigens nicht gerne Eis und auch keine Sahne.

        Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..