Die Wortspende zu Christianes neuester Schreibeinladung für die Textwochen 20.21.22 stammt diesmal von mir:
Wetterbericht, ordentlich, irisieren.
Die 3 Begriffe sind in max. 300 Wörtern einzubinden, Inhaltshinweise und Überschrift zählen nicht zum Text.
Meine zweite ABC-Etüde zu den geltenden Stichworten wird von einer weiteren Bildgestaltung Christianes begleitet, die zu dem passt, was ich bereits im Kopf hatte, als ich meine Wortspende bei ihr einreichte.
Diesmal hat die Geschichte auch nichts mit dem schillernden Trio Gisbert, Irina und Tante Elvira zu tun, sondern passt zum ersehnten, bei uns gerade sachte tröpfelnden Regen.
Sonntagmorgenszene
„Nur 0,2 mm Niederschlag, vom angekündigten Gewitter mit Starkregen keine Spur. Früher stimmte der Wetterbericht wenigstens noch,“ murrte Günther, als er den Regenmesser im Terrassenbeet überprüfte.
Danach wischte er mit einem feuchten Tuch sorgfältig die Schicht gelblichen Blütenstaubs vom Gartentisch, die der Wind von den nahen Rapsfeldern herangebracht und dort abgelagert hatte. Das nun schmutzige Tuch nahm er mit zurück in die Küche, spülte und drückte es aus, dann hängte er es über den Wasserhahn.
Anschliessend klemmte er sich die bereitgelegte Tageszeitung unter den Arm, nahm die Kaffeepötte, die seine Frau bereits eingegossen hatte und trug sie hinaus: mit Milch für ihn und schwarz für sie.
Auf dem nun sauberen Tisch stellte er sie ab, richtete fürsorglich die Henkel handgerecht aus, so dass jeder bequem zugreifen konnte, setzte sich auf seinen angestammten Gartenstuhl und nahm sich die erste Seite der Zeitung vor.
So merkte er nicht, dass seine Frau Evi drinnen kopfschüttelnd das Tuch mit spitzen Fingern in den Abstellraum brachte und zur Schmutzwäsche gab. Pedantisch war er schon, der Günther, aber nicht ordentlich, im wirklich durchdachten Sinne. Das anzusprechen hatte sie aber nach den Anfangsjahren ihrer Beziehung aufgegeben. Er war ja so empfindlich.
Erst nach diesem unbemerkten Umweg erschien auch Evi auf der Terrasse, mit ihrem üblichen Lächeln im Gesicht und je einem vorbereiteten Frühstücksteller in der Hand.
Das aufgeschnittene und gebutterte Laugenbrötchen, auf einer Hälfte mit einer Scheibe Goudakäse belegt und auf der anderen mit einer Scheibe Bierschinken, stellte sie neben Günthers Kaffeepott.
Mit dem Teller mit ihrem butter- und honigbestrichenen Sesambrötchen in der Hand setzte sich Evi auf ihre Tischseite und nahm genussvoll einen Bissen, bevor sie zum Kaffee griff und beim Trinken über den Garten schaute.
Die neue Rosenkugel mit der irisierenden Glasur schimmerte vielfarbig in der Sonne.
Der Töpfer war wirklich sehr nett, träumte Evi.
300 Wörter
Über solche Lappen gäbe es bei mir mehr als nur ein Kopfschütteln. Schön, die irisierende Rosenkugel.
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Mh…ja, die können eine Herausforderung darstellen 😀
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Pedantisch, aber nicht ordentlich – kein guter Charakterzug, mich würde es auf die Palme bringen … 😉
LG Charis 🙂
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Da stimme ich zu. Das hat eine psychologische Komponente, bei der man als Partner, Freund, Arbeitskollege o.ä. mit jeder kritischen Anmerkung immer von einem Fettnäpfchen ins nächste treten wird, weil derjenige von seiner Ordnung überzeugt ist.
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Diese detaillierte Schilderung passt so gut zu diesem pedantischen Mann. Aber der Töpfer ? Hmmmmm …..
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Dem werden vermutlich einige positive Eigenschaften mehr zugeschrieben als den Tatsachen entspricht, aber vermutlich auch ohne Absichten, mehr von ihm zu wollen, als vielleicht noch ein paar keramische Kreationen.
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Ich sehe sie beide da nebeneinandersitzen und alt werden, jeden Tag das gleiche Brötchen, der gleiche Belag, die Becher fürsorglich griffbereit hingestellt, immer alles in den gleichen, erprobten Bahnen. Ist das nun der Himmel oder die Hölle auf Erden? Beides? Nichts davon? Träumen beide? Sie von dem netten Töpfer, der kreativ und vermutlich unordentlich und schmutzig(-er) ist, und er?
Ich bin fasziniert. Danke. 🧡👍
Mittagspausenkaffeegrüße ☁️🌼☕🍪🦋👍
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Das hast du gut mitempfunden, was mir da als eine Art komfortable Auskömmlichkeit mit kleinen Reibungen und Gedankenfluchten vorschwebt. Nachmittagsgrüsse 🫖🍪🍵
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Ich dachte, es wäre immer der Gärtner …..
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Als Mörder, glaube ich, wäre er der Favorit, aber Evi wird bestimmt nicht von jemandem träumen, der Rasen und Hecken akkurat stutzt, Moos vergiftet und Krach macht. Das ist schliesslich auch eine von Günthers Passionen, der eine umfangreich motorisierte Gartenwerkzeugsammlung hegt, pflegt und leider auch viel zu oft benutzt, wenn sie einfach nur den Garten geniessen will. 😉
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Voller Sehnsucht denke ich an die Zeit, als ich mit meinem Mann am Wochenende im Garten zusammen frühstückte und die Zeitung las. Das fehlt. 😢
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Dann hast du also die gute Variante erlebt und hast schöne Erinnerungen.
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Zumindest an viele Wochenend-Frühstücke mit der EJZ…..
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