Christianes > Schreibeinladung für die Textwochen 25.26.22 | Wortspende von OnlyBatsCanHang ist die letzte vor der Sommerpause!
Die Wortspende für die Textwochen 25/26 des Jahres 2022 stammt von Donka mit ihrem Blog OnlyBatsCanHang. Sie lautet:
Wiedergeburt, blümerant, antanzen.
Die 3 Begriffe sind in einem Text mit maximal 300 Wörtern anzuwenden.
Eventuelle Inhaltshinweise und die Überschrift müssen nicht zu diesem begrenzten Text hinzugezählt werden.
Davon mache ich gerne Gebrauch, um an eine gewisse Carlotta zu erinnern.
Ich beschrieb sie vorigen September in meiner > 2. ABC-Etüde zu den Textwochen 38.39.21 mit der Anmerkung: „Während ich sie noch erfinde, wünsche ich ihr viel Erfolg. Ich kann sie bestimmt für weitere Etüden gut gebrauchen.“
Die aktuelle Wortspende ist der richtige Moment, die ehemalige Physiotherapeutin (oder Krankengymnastin, wie ihre Eltern noch sagen) ins Spiel zu bringen, die beschlossen hatte, als freiberufliche Lebensberaterin ihr Geld zu verdienen, damit es endlich für die hohen Mieten in einer der lebenswertesten Städte Deutschlands reicht, statt für immer in Zweckwohngemeinschaften Putzpläne und Kühlschrankinhalte zu diskutieren.
Kein einfacher Klient
Anfangs wurde ihr beim Anblick ihrer Kontoauszüge noch blümerant, inzwischen lief es gut für Carlotta mit ihrer Lebensberatung: nichts Übersinnliches, nur ungeteilte Aufmerksamkeit für ein ungestörtes Gespräch.
Auch heute trug Carlotta Schwarz, ihr dunkles Haar glatt, und nur einen Silberring mit verschlungenem Knotenmuster, als es verabredungsgemäss an der Tür schellte.
Sie öffnete die Wohnungstür und trat ins Treppenhaus, um den neuen Klienten in Empfang zu nehmen.
Beim Blick von oben kam ihr der Haarschopf bekannt vor und die Überraschung stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.„Da staunst du,“ schnaufte der ältere Herr, „deinen Vater zu sehen! Mein Arbeitskollege war so freundlich, den Termin für mich zu machen.“
Mit diesen Worten drängte er an seiner perplexen Tochter vorbei durch die Tür und sah sich um. „Immerhin, besser als deine vorige WG-Butze. Aber komm nur ja nicht bei uns angetanzt, wenn du mit deiner absurden Idee Pech gehabt hast.“
Vom Treppensteigen und seiner Rede aus der Puste hielt Carlottas Vater inne.
Seine Tochter bot ihm an, den Mantel abzulegen und im Raum, der dem Empfangen von Klienten diente, in einem der Sessel Platz zu nehmen.„Ist das etwa dein Wohnzimmer?“ fragte der Vater kritisch beim Anblick der mit tintenblauem Samt bezogenen Sessel um einen runden Holztisch, während er Sofaecke und Fernsehgerät vermisste.
„Nein, Papa, mein Arbeitszimmer, antwortete Carlotta.“ Ich wohne nur im Raum nebenan, wegen der Steuer.“ Mehr als eine Zweizimmerwohnung konnte sie sich eben noch nicht leisten.
„Du machst eine Steuererklärung für solchen Quatsch wie Zukunftsdeuten, frühere Leben und Wiedergeburten?“
„Krankenkasse, Rentenversicherung, Miete, Essen und was ich sonst noch brauche, bezahle ich auch selbst. Aber was kann ich für dich tun?“ Innerlich klopfte Carlotta sich auf die Schulter, weil sie ihre Selbstbeherrschung nicht verlor.
„Mutti lässt grüssen,“ murmelte der Vater. „Eigentlich soll ich bloss nachsehen, ob es dir wirklich gut geht.“
(300 Wörter)
Dieser Vater, der sich eigentlich liebevoll um seine Tochter sorgt, das aber nicht zugeben kann, ist eine Figur, die ich doch sympathisch finde. Überhaupt eine sehr lebensnahe Geschichte, die mir sehr gefällt,
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Schön, dass es genau so angekommen ist! Vielen Dank, Myriade.
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Ach, wie berührend. Eigentlich machen sie sich Sorgen, ob es dem Kind gut geht, und derjenige, der in der Welt besser klarkommt, wird ausgeschickt, um nachzusehen, wie es dem Kind geht. Wie schön, dass er es dann zugeben kann und nicht grantelnd wieder davonstapft. Gefällt mir sehr. 🧡
Nachmittagskaffeegrüße 🌥️🌳☕🍪🌼👍
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Ja, er hat die Kurve bekommen. (Oder ich, beim Schreiben.) Danke, Christiane! 🙂
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Manchmal sind Väter so, aber man muss sie nicht immer so nehmen 😉 Eine sehr reale Etüde, die mir gut gefällt!
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Allerdings. Solche Exemplare sind schwer auszuhalten, auch wenn sie immer wieder die „Besorgniskarte“ spielen, um ihre selbstherrlichen Übergriffigkeiten zu rechtfertigen. Nicht unsympathisch, aber schwierig.
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Kann ich nachvollziehen.
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Aber die nervige Variante kann es nicht zugeben, denke ich, blaht dann irgendwas Unpassendes und zieht wieder ab. Ich mochte, dass du eben das aufgelöst hast. 🧡👍
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Stimmt wahrscheinlich häufiger. In meiner Vorstellung ist er aber gerade auf dem Weg der Besserung, weil sie ihm trotz seiner forschen Art, bei ihr „mal nach dem Rechten zu sehen“ selbstbewusst erklärt, dass sie trotz des Themengebiets, das er irrigerweise mutmasst, praktisch denkt. Vielleicht ist er deshalb sogar insgeheim ein bisschen stolz.
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Schon ziemlich übergriffig, sich so hereinzudrängen, nur weil ihm die Richtung nicht passt, die seine Tochter (vermeintlich) eingeschlagen hat. Aber leider ist es ja nicht so selten, dass gerade nahe Angehörige sich besonders schwer tun, wenn ein eigentlich geliebter Mensch plötzlich „aus der Art schlägt“ und etwas tut, was sie für völligen „Quatsch“ halten.
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Ja, Maren, das finde ich auch. Hätte sie nicht bereits genug Rückgrat, wäre er damit durchgekommen, wie er es wohl früher schon immer praktiziert hat. Aber so muss er eben dazulernen …
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Akzeptiert uns Väter doch einfach wie wir sind: schwierig und anchal holprig, weil wir Gefühle nicht immer so zeigen können, wie ihr es vielleicht wünscht. Aber dennoch nicht weniger besorgt!
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Halllo, Werner. Dass meine Etüde, ein Geschichtchen, dich dazu motiviert, dich als allgemeiner Vätervertreter zu Wort zu melden, ist sehr interessant.
Bis eben war es nur eine Etüde und ein paar Mutmassungen über fiktive Figuren, nun wird daraus eine Sozialstudie.
Ich möchte sehr darum bitten, nicht meine doch sämtlich erwachsenen Kommentatorinnen und mich mit „ihr“ in einer Verallgemeinerung des ewigen Tochterseins zu massregeln.
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Massregeln war überhaupt kein Gedanke auf meiner Seite. Vielmehr hat mich Deine Geschichte „ergriffen“ und die Kommentare von Myriade und Christiane wollte ich insofern ergänzen, dass „wir“ Männer manchmal Gefühle nicht so zeigen können, wie es erwartet (und angebracht) wäre.
Das war alles, was ich sagen wollte.
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Ok. Ergriffenheit ist ein Argument für eine unglückliche Ausdrucksweise, die mit meiner starken Aversion gegen polarisierende Wir / Ihr-Statements kollidiert ist.
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Der persönliche Erfolg hat eben ganz verschiedene Gesichter. 😊👍
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Vielen Dank für diese vielschichtige Bemerkung! 🙂
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