Amsterdam – die ‚Hendrika Maria‘ und andere Begegnungen an der Prinsengracht

Vom Singel kamen wir nach dem Überqueren der Heren- und der Keizersgracht über die Berenstraat zum Johny Jordaan Plein; dieser befindet sich am oberen Ende der Elandsgracht, im westlichen Grachtengürtel.
Im Hintergrund von Bild 1 sieht man den mit einer blaugoldenen Kaiserkrone geschmückten Kirchtum der Westerkerk aus dem 17. Jh., mit etwa 87 m der höchste Kirchturm in Amsterdam. Bild 2 zeigt die Brücke No. 65, 1950 als Ersatz für frühere Brücken gebaut, aber als Erinnerung an die Gerber aus der Berenstraat trägt sie den Namen ‚Berensluis‘.
Bild 3: die Bronzeskulptur des Mannes mit dem Bass ist eine von fünf beliebten niederländischen Volkssängern, vom Bildhauer > Korstiaan ‚Kees‘ Verkade zwischen 1991 und 2010 gestaltet und auf dem > Johnny Jordaan Plein gruppiert.

Auf dem Einzel-Foto unten liegt der Platz mit den Skulpturen im Hintergrund, davor die inzwischen überhundertjährige ‚Hendrika Maria‘ auf der Prinsengracht: das Boot wurde 1914 als ‚Petronella Catharina‘ für 85 t Lasten gebaut und transportierte als Segelschiff Holz und Pfähle. Zur ‚Hendrika Maria‘ wurde sie bei einem der Besitzerwechsel 1923 und ihre Ladungen bestanden nun aus Sand. Sie fuhr sogar bis Deutschland, was jedoch im Zweiten Weltkrieg zu gefährlich wurde, und um sie nicht durch Beschuss zu verlieren, wurde sie von ihrem Besitzer vorsorglich versenkt, eine damals nicht unübliche Massnahme, und nach Kriegsende wieder geborgen. Danach nahm die ‚Hendrika Maria‘ ihre Arbeit, die Sand- und Kieslasten, für zwanzig weitere Jahre wieder auf, bis der Eigner 1967 verstarb.

Der Kunstmaler Herman Stoel (1936 – 1986) rettete das Boot vor dem Abwracken und richtete mit Oberlichten ein Atelier ein; für zwölf Jahre wurde sie stillgelegt als Hausboot genutzt. 1979 kam mit einem neuen Eigner, Wouter Freeling, noch einmal für drei Jahre Bewegung als Segler in das Hausboot, bis der nächste und vorletzte Besitzer, Paul van de Zwart, sie mit seinem Vater, einem Schiffsbauer, fachkundig restaurierte und dann 15 Jahre bewohnte. Um sich einem neuen Sanierungsprojekt zuzuwenden, bot er sie zum Verkauf. Der letzte, gegenwärtige Besitzer, Vincent van Loon, konnte ihn durch die Idee des Hausboot-Museums dazu bewegen, die Umwandlung der ‚Hendrika Maria‘ vorzunehmen. Drei Monate später wurde sie zum gegenwärtigen Liegeplatz gebracht und als Museum eröffnet.

Als Kurzinformation bekommt man ein Eingang eine solche Karte zur Geschichte und den Räumen genau diesen Bootes in die Hand. Mit dem Plan in der Hand kann man dann durch das Boot gehen und darf sich auch auf die Sessel setzen, um einen Moment die niedrigen und kleinen Räumlichkeiten auf sich wirken zu lassen. Das den heutigen Bedürfnissen entsprechende Bad und die heutige moderne Küche sind verständlicher Weise nicht zugänglich, sie sind nicht „museal“. Zu den Zeiten, als das Hausboot-Wohnen noch nicht mit Verpflichtungen an das Versorgungsnetz verbunden war, lebte es sich anders, und die Eindrücke vom Wohnen, Schlafen, Heizen, Kochen und der Wasserversorgung wie sie auf den Fotos in der Galerie zu bekommen sind, entsprechen einer vergangenen Zeit.

Das Hausboot-Museum zieht seit 20 Jahren durchschnittlich rund dreitausend Besucher monatlich an. 2008 wurde noch einmal restauriert, aber nichts am nostalgischen Charme verändert. Diese Art einfachen Hausbootlebens wurde inzwischen von modernen Varianten überholt. Ein auf dem Boot gezeigter Film beschreibt die Entwicklung des Hausboot-Wesens in Amsterdam von den Anfangsjahren bis ins 21. Jahrhundert. Das sieht teilweise schon frappierend anders aus als dieser gemütliche Abschlussmoment auf einer kleinen Bank auf dem Bootsdeck suggeriert, mit einer in der Sonne dösenden Ente vor den Füssen:

Fotos sind vom Mittag des 13. April 2019 in Amsterdam, Nord-Holland, Niederlande. Zum Vergrössern bitte die kleinen Bilder, ob einzeln oder in den Galerien, anklicken.

Die Umstände, wie es zum Leben in Hausbooten auf den Grachten kam, waren in Amsterdam zwar dieselben wie in London, Berlin oder Hamburg, aber die gegenwärtigen Bedingungen sind verschieden. In Amsterdam haben dauerhaft bewohnte Hausboote auf äusserst raren, legalen und kostenpflichtigen Liegeplätzen eine fixe Adresse und sind an das Elektro-, Trink- und Abwasserleitungsnetz angeschlossen. Anders als in anderen Städten sollen und können sie nicht herumfahren. Einige haben nicht einmal mehr Ähnlichkeit mit einem Boot, aber dafür Kaminfeuer, Konzertflügel und Whirlpool; die Anschaffungskosten betragen so viel, wie zu Lande für ein Eigentum auch.
Im > VLOT., einem Magazin zum Thema, kann man auf der Webseite viel Zeit damit verbringen, modernes niederländisches Leben auf dem Wasser zu bestaunen. Zur Webseite des Woonboot-/ Hausboot-Museums mit einem Videofilmchen zum Boot bitte > hier klicken.

8 Gedanken zu “Amsterdam – die ‚Hendrika Maria‘ und andere Begegnungen an der Prinsengracht

    • Die Berliner oder überhaupt deutschen Hausboote müssten eher der Anfangsphase entsprechen, als sie in Amsterdam auch noch weniger reglementiert waren, und soweit ich es in Fernsehberichten von verschiedenen deutschen Städten sah, sind sie auch kleiner. Aber eine wachsende Anzahl und der Müll … vermutlich ist es überall nur eine Frage der Zeit, bis aus der lediglich halb legalen Lebensweise, die wie eine Art „Bauwagensiedlung zu Wasser“ nur im juristisch und verwaltungstechnisch noch relativ ungeregelten Raum möglich ist, auch anderswo gezähmt werden muss.
      In Amsterdam müssen die Grachten jede Nacht gereinigt werden, auch ohne dass die Bewohner zu Wasser Müll und Abwässer hineinkippen. Es sid ja keine Fliessgewässer, die den Dreck einfach weiterbefördern, wie die Londoner Themse oder auch so manches deutsche, breitere Gewässer, bei dem es weniger ins Auge fällt, wo das alles so hintreibt. Was ja auch keine Denkweise sein sollte, die man beibehalten sollte.
      Abgesehen davon hat sich in letzter Zeit in Amsterdam und den Niederlanden, bedingt durch die Bedeutung der Klimaerwärmung mit dem Anstieg der Meeressspiegel für ein Land mit weiten Teilen unterhalb Normalnull eine vollkommen andere Herangehensweise an das Nachdenken über schwimmende Gebäude und Wirtschaftsformen herausgebildet, über die Länder mit Flächen oberhalb der gegenwärtigen Seehöhe derzeit noch nicht nachzudenken brauchen.
      Hausboote sind für die Niederländer schon längst keine Armeleute-Lösung mehr, sondern ein Zukunftskonzept.

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