Frühabendprogramm – meine 4. ABC-Etüde für die Textwochen 06*07*08*09**24 | Wortspende von Werner Kastens

Dies ist meine 4. ABC-Etüde zu Christianes am vergangenen Sonntag herausgegebenen > Schreibeinladung für Februar 2024 bzw. für die Textwochen 06, 07, 08 und 09 des Jahres 2024 mit einer Wortspende von Werner Kastens.
Die gegebenen 3 Wörter lauten: Unterwürfigkeit + verschuldet + verjubeln. und gelten bis zum 2. März ’24.
Sie sind in einem Text von maximal 300 Wörtern zu verwenden, wobei eventuelle Inhaltshinweise und die Überschrift nicht zum Text mitgezählt werden. Es ist wieder eine Gisbert-Episode an der Reihe.

2024-02-09 Stable Diffusion KI 00004-1940129960 f. ABC-Etüde 'Frühabendprogramm' TW 6-9 '24

Frühabendprogramm

Eineinhalb gebutterte Graubrotscheiben mit Wurst und Käse, geviertelt, mit Scheiben von einer Gewürzgurke daraufgelegt: So mochte Gisbert sein Abendbrot. Dazu öffnete er sich eine Flasche Bier.
Gerade teilte er seine Aufmerksamkeit zwischen dem vorsichtigen Einschenken eines handlichen Glases und der TV-Berichterstattung zu den jüngsten Hochwasserereignissen.

In verschiedenen Regionen Deutschlands traten nach starken Regenfällen Flüsse über ihre Ufer, trugen anschwellende Bäche und übersättigte Böden das Ihre bei, sodass ganze Landstriche von Wasser durchzogen wurden, dem Bäume, Fahrzeuge, Brücken und Gebäude samt Inhalt zum Opfer fielen. Vorsichtig trank Gisbert etwas vom zu rasch aufsteigenden Schaum ab.

Die Bilder von überfluteten Ortschaften, in denen Menschen Schlauchboote mit Kindern, Haustieren und etwas beweglicher Habe durch das dezemberkalte Wasser in den Strassen schoben, berührte ihn mit der Unbehaglichkeit eines schlechten Gewissens, weil er so gemütlich bei Schnittchen und Bier vor dem Bildschirm sass.
Wahrscheinlich waren nicht wenige wegen irgendeines Besitzes verschuldet, der nun verloren war, ohne dass eine Versicherungssumme dafür in Aussicht stand. Und die anderen würden vermutlich lange warten und die Zeit bis dahin mit Krediten überbrücken müssen. Auch die bekam nicht jeder.

Als Mitarbeiter einer Behörde war er ohnehin schon froh, nicht dort zu sitzen, wo Menschen in polternder Unmut oder verzweifelter Unterwürfigkeit auftauchten, um ihre Angelegenheiten voranzutreiben, obwohl das keine Beschleunigung bewirken konnte. Unter solchen Umständen und so vielen Ansuchenden musste es noch viel schlimmer sein.

Eine Arbeitskollegin berichtete beim Mittagstisch in der Kantine von ihrer Cousine: Für ein sensationelles Brautkleid und ebensolche Hochzeit hatte sie Tausende verjubelt, die sie jetzt gebrauchen könnte, weil das Erdgeschoss ihres Hauses verschlammt und das vollgelaufene Auto wahrscheinlich nicht mehr zu retten sei. Andere Leute wussten nicht einmal, wohin die Flut ihr Fahrzeug getragen haben mochte.

Gisbert dämmerte plötzlich, dass unter diesen Umständen auch der Volvo mit Cordulas Leiche nicht ruhig in seinem Flussbett liegenbleiben würde.

(300 Wörter)

7 Gedanken zu “Frühabendprogramm – meine 4. ABC-Etüde für die Textwochen 06*07*08*09**24 | Wortspende von Werner Kastens

  1. Das kann ich gut nachvollziehen, mir ist es auch schon so gegangen, dass ich „arme Schweine“ gedacht habe, wenn ich die Bilder gesehen habe. Und ja, an allen hängt ein Schicksal.
    Dass der Volvo wiederauftaucht, ist in einem derartigen Szenario sehr wahrscheinlich, guter Einfall! 👍👍
    Danke dir für die Etüde.
    Nachmittagskaffeegrüße mit Regen, welche Überraschung 🌧️☔🖥️☕🍪

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  2. Zuerst: Du hast eine Dopplung im Text: wegen irgendeines eines Besitzes verschuldet.

    Ansonsten: kann ich mir gut vorstellen, wie Gisbert da am Abendbrottisch sitzt, mit steifem Rücken und Serviette oben ins Hemd gesteckt, die Hemdsärmel aufgekrempelt, damit sie nicht schmutzig werden und das Brot auf einem Holzbrett gerade ausgerichtet.

    Schönes Szenario hast Du uns da aufgetischt!

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    • Danke, Werner! Die Verdoppelung hatte mir das Wörterzähl- und Korrekturdingsi nicht angezeigt. Da hatte ich ja direkt noch ein Wort zu verprassen.😀
      Deine Vorstellung von Gisbert passt recht gut zu meiner. Er mag es zwar gemütlich haben, aber schmierig werden auch wieder nicht. Holzbrettchen findet er aber wieder gut, weil man dann weniger spülen muss. Selbstverständlich schiebt er die Brotviertel immer wieder hübsch hin und her, wenn er eines weggenommen hat!

      Gefällt 1 Person

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