Kalte Finger – Eine ABC-Etüde für die Textwochen 15 bis 18 2024 geht doch noch!

Schnell, schnell: eine Fingerhut-Etüde zu Christianes > Schreibeinladung für die Textwochen 15 bis 18 2024 geht doch noch! Die Wortspende von Christiane mit Fingerhut, süsslich, fluchen kann doch bestimmt noch einmal in einen Text mit bis zu 300 Wörtern eingebaut werden! Erklärungen oder die Überschrift brauchen nicht mitgezählt zu werden.

Kalte Finger

2019-04-11 NL Amsterdam Rijksmuseum Säle (28) Bildausschnitt Caesar Boëtius van Everdingen 1646 Winterallegorie 'Junge Frau, die Hände wärmend'Draussen ist es warm, sogar ungewöhnlich warm für Anfang Mai, aber auf dem Bild, das mir eben zufällig > in meinen Amsterdam-Urlaubsfotos vom April 2019 begegnete, wärmt eine junge Frau sich ihre klammen Finger über einem Kohlebecken.

Das Bild ist ein Gemäldeausschnitt, das Ganze wurde um 1646 vom nordniederländischen Maler Caesar Boëtius van Everdingen gemalt und das Kunstwerk hängt im Amsterdamer Rijksmuseum. Als ich es fotografierte, war ich überwältigt von den vielen Gemälden vorort, aber nun habe ich Musse, es mir genauer anzusehen.

Die junge Frau wirkt noch sehr mädchenhaft im Gesicht. Ein weisses Tuch liegt haubenartig hinten geknotet um den Kopf, unter dessen zartem, gebogten Spitzenrand sich nur ein paar dunkle Haare kräuseln, wo Ohrgehänge mit Perlen neben ihren Wangen baumeln. Weitere Spitze und noch zwei Reihen Perlen erkennt man im Ausschnitt ihrer Bluse, die im Schatten ihres Kinns am Hals schimmern. Alles wirkt sehr hübsch und weich, auch das mit hellem Pelz besetzte Umschlagstuch um ihre Schultern, durch den rosa Farbton, das sanfte Weiss und den Perlenschimmer fast ein wenig süsslich.

Das graugrüne Leinentuch über ihren Händen ist glattgeplättet und war zuvor zusammengefaltet, nichts erscheint ärmlich oder bedauernswert.

Doch dieser angespannte Zug um ihren Mund wirkt, als würde sie ganz gerne wenigstens ein bisschen leise fluchen, weil die Kohlen so bedrohlich heiss sind und weil sie ihre Hände wärmen muss, damit die von der winterlichen Kälte im schwer heizbaren Raum erstarrten, ungelenkigen Finger wieder geschmeidig werden, damit sie gleich wieder mit Nadel und Faden, Fingerhut und diesem Stück Leinen weiter an der Monogrammstickerei zu arbeiten hat, um die Fleissaufgabe zu bewältigen, viele weitere Wäschestücke damit zu versehen.

Meine kurz nach 1900 geborene Grossmutter erzählte mir, dass es auch zu ihrer Zeit noch üblich war, Aussteuerleinen und Hauswäsche von Hand mit feinfädigem Garn zu monogrammieren, monatelang habe sie damit verbracht.

(300 Wörter)

3 Gedanken zu “Kalte Finger – Eine ABC-Etüde für die Textwochen 15 bis 18 2024 geht doch noch!

  1. Ich finde zwar, dass sie nur konzentriert schaut, aber das Fluchen ist auch nicht unwahrscheinlich (nur unfromm) und musste ja untergebracht werden 😉
    Ich mag diese Art Gemälde, sie sind so detailreich und erzählen so viel, wenn man sie lesen kann …
    Ich habe in meiner Familie auch noch monogrammierte Wäsche gesehen, die stammte allerdings aus der Generation vor den Zeigenden …
    Danke dir für die Etüde!
    Arbeitsame Morgenkaffeegrüße 🌤️🌳🎶☕🍪

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  2. Die Konzentration sähe wohl genauso aus. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste meine Hände auf diese Weise wärmen, wäre ich sowohl konzentriert darauf, mich nicht zu verbrennen, als auch zum Denken, wenn schon nicht Murmeln schlimmer Ausdrücken aufgelegt. Es muss ja eine Aufgabe geben, die noch ansteht. Sonst könnte man ja auch mit einer Bettpfanne oder einem lebenden Wärmespender zu Bett gehen, statt hübsch hergerichtet die Finger in Gefahr zu bringen.

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